Die Akte Golgatha
sicher gleich erzählen, worum es sich bei dieser Akte handelt!«
Gropius zog die Mundwinkel nach unten. »Ehrlich gesagt, ich weiß es auch nicht so genau. Aber vermutlich enthält die Akte Beweise, die belegen, dass Jesus in Jerusalem begraben wurde und keineswegs, wie von der Kirche behauptet, in den Himmel aufgefahren ist. Bisher glaubte ich allerdings, Schlesinger habe diese Unterlagen bereits verkauft. Woher kämen sonst die zehn Millionen auf seinem geheimen Konto. Eines steht jedenfalls fest: Der Kurie hat Schlesinger sein Wissen nicht verkauft. Crucitti tat so, als befanden sich die Dokumente in meinem Besitz, und er bot mir mehr als die Gegenseite – wen immer er damit meinte.«
»Klingt, als hätte der Vatikan einen mächtigen Konkurrenten!«
»Das klingt nicht nur so. Der Vatikan, das hat der Monsignore freimütig zugegeben, wird von einer Organisation erpresst. Aber wer dahinter steckt, darüber wollte er sich nicht näher auslassen. Vermutlich die Leute um Rodriguez. Ich weiß es nicht, ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll …«
Francesca nahm Gregor an der Hand und drängte ihn in den hinteren Teil der Halle. Abseits des Trubels der Abreisenden und Ankommenden, der Reiseleiter und Gepäckträger, der das Foyer in einen Jahrmarkt verwandelte, sagte Francesca: »Du erinnerst dich an den Text der E-Mail in dem einsamen Gehöft.«
»Natürlich!« Gropius zog sein Notizbuch aus der Jackentasche. »Ich habe ihn mehr als einmal gelesen, und ich zweifle nicht, dass es sich dabei um den Mordauftrag für das Klinikum in Milano handelt.«
»Willst du nicht zur Polizei gehen?«
»Vorläufig nicht. Commissario Artoli würde nicht glauben, unter welchen Umständen wir das Gehöft entdeckt haben – und wenn ich ehrlich sein soll, ich kann es ihm nicht einmal verdenken. Vielleicht später.«
Francesca nickte. Sie starrte auf den Text der E-Mail in Gropius' Kalender. »Ich habe übrigens mit Padre Roberto gesprochen. Er ist ein kluger Mann und wusste sofort, dass es sich bei dem Bibelspruch um Matthäus 5, 29 handelt. Und was den Segen des Allerhöchsten aus Barcino betrifft, so kommt dieser aus Barcelona. Barcino ist der lateinische Name für Barcelona.«
Gropius stand da wie gelähmt. »Natürlich! Warum bin ich nicht schon eher darauf gekommen!«, rief er aus. Er wähnte sich dem Ziel näher als je zuvor, jetzt aufzugeben kam nicht in Frage. Schließlich hatte er Rodriguez' Adresse.
»Ich sehe es dir an der Nasenspitze an«, meinte Francesca verschmitzt, »du wirst nach Barcelona reisen. Nimmst du mich mit?«
Gregor nahm Francesca in die Arme und sah sie lange an; dann sagte er leise: »Du weißt, wie gefährlich diese Leute sind, und ich möchte dich nicht unnötig in Gefahr bringen. Ich fliege noch heute nach München, packe frische Wäsche ein und nehme morgen die erste Maschine nach Barcelona. Solltest du in zwei Tagen nichts von mir gehört haben, benachrichtige die Polizei.«
»Und der Umschlag im Hoteltresor?«
»Den nehme ich mit. Vermutlich ist der Inhalt wertlos, und die Signora Selvini hat uns nur eine Fälschung angedreht, aber man weiß ja nie. Unter Umständen kommt ihm doch noch größere Bedeutung zu.«
Ungestüm, so als hätte sie Angst, ihn zu verlieren, klammerte sich Francesca an Gregor. Für Augenblicke fühlten beide die Wärme des anderen. Auch wenn er sich nicht den Anschein gab, wusste Gropius längst, dass er so bald wie möglich zu dieser Frau zurückkehren würde.
»Darf ich dich wenigstens zum Flughafen bringen?«, fragte Francesca.
Gropius nickte.
K APITEL 17
B arcelona. Manche sagen, eine der schönsten Städte der Welt. Gropius hätte sich gewünscht, die Stadt unter angenehmeren Umständen kennen zu lernen. Er war weitgereist, aber Barcelona hatte er nie gesehen. Schade eigentlich, dachte er während der halbstündigen Fahrt vom Flughafen El Prat zur Plaza Catalunya im Zentrum; aber dann überwältigte ihn wieder der Gedanke an diesen widerlichen Pfaffen Ramón Rodriguez. Er musste ihn finden, mehr noch, er musste herausbekommen, für wen der Mann arbeitete und wer seine Hintermänner waren. Denn dass Rodriguez kein Einzelgänger war, dass hinter ihm eine gefährliche Organisation stand, die buchstäblich über Leichen ging, dessen war sich Gropius inzwischen sicher.
Sein einziger Anhaltspunkt war ein Zettel mit der Adresse Carrer Caralt 17, nicht gerade viel, um einem europaweit wirkenden Komplott auf die Spur zu kommen. In den vergangenen
Weitere Kostenlose Bücher