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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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sein,
daß nur zwei Schlüssel da sind, die der Kassierer und
Fauvel stets bei sich tragen?«
    »Das ist nicht richtig, an dem Abend, an welchem der
Diebstahl ausgeführt wurde, lag der Schlüssel des
Bankiers in einer Lade des Schreibtisches, der im Schlafzimmer
steht.«
    »Der Schlüssel allein genügt nicht,
zum Öffnen ist auch noch das Stichwort erforderlich.«
    »Wie lautete das Stichwort?«
    »Gypsy.«
    »Der Name von Bertomys Geliebten. Nun –
kommst du nicht darauf? – – Ich will dir auf die
Spur helfen, mein liebes Eichhörnchen: sobald du den Mann
entdeckt hast, der mit dem Kassierer so befreundet ist, um ihm das
Geheimnis des Stichworts zu entlocken, und der gleichzeitig bei Fauvel
aus und ein geht, dann hast du das Rätsel gelöst und
den wirklichen Täter gefunden.«
    »O, Meister, wenn Sie sich der Sache annehmen, dann
muß es gelingen.«
    »Ich hoffe es, aber höre wohl, ich will dir
nur im geheimen beistehen und niemand darf wissen, daß ich
mich an der Untersuchung beteilige – meine Gründe
kümmern dich nicht, es genüge dir, daß der
Erfolg nur dir allein zugeschrieben werden wird. Ich kann auf deine
Verschwiegenheit zählen?«
    »O, Meister, wie können Sie zweifeln, ich
bin Ihnen ja zu größtem Dank verpflichtet.«
    »Schön, dann reden wir nicht weiter
darüber. Jetzt nimm die Photographie des Geldschranks und
begib dich sofort zum Untersuchungsrichter, der, wie ich weiß,
völlig ratlos ist. Erkläre ihm alles, zeige ihm den
Versuch mit dem Schlüssel und ich bin versichert, daß
er den Kassierer in Freiheit setzen wird. Er muß
nämlich frei sein, wenn ich meine Veranstaltungen beginnen
soll.«
    »Ich gehe sofort. Aber bitte, sagen Sie mir noch,
soll ich durchblicken lassen, daß ich einen Dritten im
Verdacht habe?«
    »Natürlich, das Gericht muß wissen,
daß du den Fall weiter verfolgen willst. Pertingent wird dir
den Auftrag geben, Bertomy zu überwachen, sage, daß
du ihn nicht aus den Augen verlieren wirst.«
    »Und wenn er nach Nina Gypsy fragt?«
    Lecoq zögerte einen Augenblick, ehe er erwiderte:
»Dann sage ihm, du habest sie in Bertomys Interesse bestimmt,
eine Stelle in einem Hause anzunehmen, wo sie Gelegenheit hat, eine
verdächtige Person zu überwachen.«
    Fanferlot war höchlich vergnügt, er bedankte
sich nochmals, nahm die Photographie und wollte sich empfehlen, aber
Lecoq hielt ihn zurück.
    »Noch eins, liebes Eichhörnchen, verstehst
du mit Pferden umzugehen?«
    »Das will ich meinen, ich war doch früher
Stallmeister im Zirkus Renz.«
    »Richtig, ich erinnere mich, das kommt uns nun sehr
zu statten. Also, sobald die Angelegenheit beim Untersuchungsrichter
erledigt ist, eilst du nach Hause, dort ziehst du dich wie ein
Kammerdiener an, machst dir dazu eine passende Frisur zurecht und
begibst dich in das Stellenvermittlungsbureau, für welches ich
dir einen Brief mitgeben werde.«
    »Aber Meister ...«
    »Keinen Widerspruch, mein Lieber; der
Stellenvermittler wird dich zu dem Marquis von Clameran, der einen
Kammerdiener sucht, schicken.«
    »Verzeihen Sie, aber der Marquis ist nicht Bertomys
Freund, folglich ...«
    »Sei so gut, schweige, tue, was ich dir sage und
kümmere dich um das übrige nicht. Der Marquis ist
allerdings nicht Prospers Freund, aber er ist der Freund und
Beschützer Raoul von Lagors. Wir müssen in Erfahrung
bringen, woher die Vertrautheit dieser beiden im Alter so verschiedenen
Männer stammt, wir müssen erfahren, was der
Hüttenbesitzer, der sich um seine Hochöfen nicht im
geringsten kümmert, sondern in Paris lebt, für ein
Mensch ist, und weil er im Louvrehotel, das schwer zu
überwachen ist, wohnt, sollst du ihn aus nächster
Nähe im Auge behalten. Er hat Wagen und Pferde, da du
kutschieren kannst, wirst du ihn fahren und auf diese Weise
über all seine Schritte genau Bescheid wissen. Noch eins. Der
Marquis ist ein sehr mißtrauischer Charakter, also sei auf
deiner Hut. Du stellst dich ihm unter dem Namen Josef Dubois vor und
weisest dich mit diesen drei Zeugnissen aus, die bestätigen,
daß du bei hohen Herren gedient hast und daß sie mit
deinen Dienstleistungen zufrieden waren. So, nun kannst du gehen, mach'
deine Sachen gut.«
    »Sie sollen mit mir zufrieden sein, Meister.«
    Nachdem Fanferlot sich entfernt hatte, eilte Lecoq in sein
Schlafzimmer und im Nu hatte er sein Äußeres,
sozusagen den offiziellen Lecoq, der aus Brille, Perücke,
weißer Halsbinde und so

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