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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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heute noch kommen und alles was
da ist übernehmen, da Sie ohne Geld sind, wird Ihnen der
Erlös sehr zu statten kommen.«
    »Ich füge mich.«
    »Schön, mein lieber Freund, und nun sagen
Sie mir, sind Sie mit Herrn von Lagors befreundet?«
    »Er ist mein bester Freund.«
    »So? Da können Sie mir wohl sagen, was er
für ein Patron ist?«
    Dies Wort schien Prosper zu verletzen. Sein Ton klang etwas
gereizt, als er antwortete: »Raoul von Lagors ist der Neffe
der Frau Fauvel, der liebenswürdigste, geistreichste Kavalier,
der beste, treueste Mensch, den ich kenne und dazu schön wie
ein Antinous.«
    »Das ist viel auf einmal, ein wahrer Ausbund, ich
freue mich schon seine Bekanntschaft zu machen. Um es kurz zu sagen,
ich habe ihm in Ihrem Namen geschrieben und er hat seinen Besuch
angesagt, ich habe nämlich einen Plan und möchte Sie
für die Unterredung mit ihm vorbereiten. Nämlich
...« Ein Klingeln unterbrach Herrn Verduret.
    »O weh,« sagte er, »zu
spät, da ist er schon ... wo kann ich mich nur verstecken, um
Zeuge Ihres Gesprächs zu sein?«
    »Hier rechts ist mein Schlafzimmer, lassen Sie die
Tür offen und die Portiere herunter. Ein zweites Klingeln
ertönte.
    Prosper wandte sich zum Gehen.
    »Noch eins,« mahnte Verduret mit ernstem,
eindringlichem Tone, verraten Sie Ihre Pläne mit keinem Worte
und erwähnen Sie auch meiner nicht. Zeigen Sie sich
völlig entmutigt und niedergeschlagen.«
    Verduret verschwand ins Nebenzimmer und Prosper beeilte sich,
seinem Freunde die Tür zu öffnen.
    Das Bild, das Prosper von Raoul entworfen hatte, war durchaus
nicht geschmeichelt, der Gesichtsausdruck des schönen
Jünglings war ein so edler, daß man an seinen
Herzenseigenschaften, sowie Geistesgaben nicht zweifeln konnte.
    Das erste was er tat, als er eingetreten, war, daß er
Prosper um den Hals fiel.
    »Armer, lieber Freund,« sagte er,
»armer, armer Prosper.«
    Verduret fand den Ton dieser Beileidskundgebung etwas
gezwungen, aber Prosper merkte nichts davon.
    »Dein Brief hat mich schmerzlich
berührt,« fuhr Raoul fort, indem er sich auf einem
Fauteuil niederließ, »ich war ganz außer mir
und fragte mich, ob du denn bei Verstande seist? In der Angst habe ich
alles liegen und stehen gelassen und bin zu dir geeilt.«
    Prosper hörte mit Verwunderung zu, was mochte in dem
Briefe, den er nicht geschrieben, gestanden haben? Und wer war der
geheimnisvolle Fremde, der ihm seine Hilfe angeboten hatte?
    Unterdessen sprach Raoul weiter: »Warum willst du
verzweifeln? Du bist noch jung, du kannst ein neues Leben beginnen. Und
ich werde dich nicht verlassen, ich bin dein Freund, mein halbes
Vermögen steht zu deiner Verfügung und du
weißt, daß ich reich bin.«
    Prosper war von dem edlen Anerbieten tief gerührt.
    »Ich danke dir, mein lieber Raoul,«
antwortete er mit bewegter Stimme, »mir aber kann leider alles
Geld der Erde nichts nützen.«
    »Warum? Hast du denn keine Pläne? Denkst du
in Paris zu bleiben?«
    »Ich weiß es nicht, ich habe keinerlei
Pläne, ich weiß nicht, was ich beginnen soll, ich
habe den Kopf verloren.«
    »O, das darfst du nicht, du mußt handeln.
Laß mich ganz aufrichtig mit dir sprechen, mein lieber
Prosper, so lange der rätselhafte Diebstahl nicht
aufgeklärt ist, kannst du nicht in Paris bleiben.«
    »Und wenn er nie aufgeklärt wird?«
    »Um so mehr Grund hast du, zu verschwinden. Eben erst
sprach ich von dir mit Clameran – du bist ungerecht gegen
ihn, denn er ist dir wirklich zugetan. – Er sagte: wenn ich
an Prospers Stelle wäre, würde ich alles zu Geld
machen und nach Amerika gehen, drüben würde ich mir
ein Vermögen erwerben und dann als Millionär
zurückkehren und meine Feinde vernichten.«
    Prospers Stolz empörte sich gegen diesen Rat, er
wollte auffahren, aber rechtzeitig erinnerte er sich Verdurets Mahnung
und er schwieg.
    »Nun?« drängte Raoul, »was
meinst du dazu?«
    »Ich will es mir überlegen, ich
weiß selbst nicht, was ich will und soll –
– übrigens – was sagt denn Herr
Fauvel?«
    »Ach, du weißt, daß der Onkel nicht
gut auf mich zu sprechen ist, seit ich es abgelehnt habe, in sein
Geschäft einzutreten; seit einem Monat war ich nicht mehr
dort. Aber deinen Schützling, den jungen Cavaillon, habe ich
getroffen und durch ihn habe ich Nachrichten. Der arme Onkel soll
entsetzlich aussehen, die Geschichte scheint ihn mehr angegriffen zu
haben, als dich ...«
    »Und Frau Fauvel ... und

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