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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Winter war, ein Landhäuschen in Besinet. Er wollte
in der Einsamkeit seine Verirrungen büßen, sagte er;
in Wirklichkeit war es ihm sehr angenehm, sich seine Freiheit zu wahren
und die Besuche seiner Mutter nicht empfangen zu müssen.
    Frau Fauvel freute sich der Wandlung und meinte, eine
regelmäßige Beschäftigung würde
Raoul nur vorteilhaft sein; sie sprach darüber mit ihrem Manne
und dieser erklärte sich mit Vergnügen bereit, den
jungen Mann in seinem Geschäfte anzustellen.
    Er hatte Raoul zu verschiedenen Malen nicht unbedeutende
Summen vorgestreckt und nahm es der Familie Lagors schon lange
übel, daß sie den Jüngling im
Müßiggange leben ließe.
    »Das taugt zu nichts,« sagte er,
»ein junger Mensch muß arbeiten, sonst
verfällt er auf lauter Dummheiten.«
    Und der Bankier bot Raoul sofort eine Stelle in seinem
Korrespondenzbureau mit einem Anfangsgehalte von 500 Frank monatlich an.
    Raoul freute sich sehr darüber, aber zu seinem
eigenen Leidwesen mußte er auf Clamerans
ausdrücklichen Befehl ablehnen und sagen, daß er zum
Bankgeschäft keinen Beruf fühle.
    Herr Fauvel war über diese Ablehnung sehr verstimmt,
er sagte Raoul unumwunden seine Meinung und gab ihm zu verstehen,
daß er künftig nicht mehr auf ihn rechnen
könne.
    Raoul tat beleidigt und ergriff diesen Vorwand, um seine
Besuche einzustellen oder doch einzuschränken; er kam nur hie
und da, wenn er den Bankier nicht zu Hause wußte, und nur, um
über die Vorgänge im Hause unterrichtet zu bleiben.
    Clameran begann ungeduldig zu werden. Raoul tat sein
möglichstes, um Prosper in die Falle zu locken, aber
vergeblich.
    Eines Tages aber kam den beiden Verbündeten der
Zufall zu Hilfe.
    Raoul hatte ein Spielchen veranstaltet, das ziemlich hoch
ging, und nach demselben Prosper, der stark verloren hatte, so viel
zugetrunken, daß dieser, der kein besonderer Trinker war,
etwas benebelt wurde.
    Fräulein Gypsy, die mit von der Partie war, wurde
gewöhnlich vom Sekt sentimental, und da sie sich über
den Mangel an Liebe seinerseits beklagte, verriet er, daß das
Stichwort der Kasse ihr Name sei.
    Raoul begab sich noch in selbiger Nacht zu Clameran, um ihm
diese wichtige Mitteilung zu machen.
    Clameran, der zuerst ärgerlich war, weil Raoul ihn
geweckt hatte, geriet vor Vergnügen außer sich.
    »Jetzt haben wir ihn!« rief er voll
Schadenfreude. »Herr Bertomy ist zu tugendhaft, um sich selber
an der Kasse zu vergreifen, aber das Stichwort hat der Trunkenbold
verraten – das soll er büßen! –
Aber warum hast du dich nicht des Schlüssels
bemächtigt?«
    »Es ist nicht nötig, Herr Fauvel
läßt den seinen gewöhnlich in der Schublade
seines Privatschreibtisches, zu dem die Frau auch einen
Schlüssel besitzt.«
    »Schön, du gehst also zu Frau Fauvel und
forderst von ihr durch Güte oder mit Gewalt den
Kassenschlüssel ...«
    »Es wird nicht viel nützen, denn wie ich
weiß, duldet der Bankier keine größeren
Summen in der Kasse.«
    »Ich werde dafür sorgen, daß eine
darin ist, ich werde mein Depot für übermorgen
früh kündigen, so daß es Prosper schon
abends vorher in der Kasse haben wird.«
    Raoul war verblüfft. Er fürchtete nur Frau
Fauvels Widerstand, aber auch diesen Einwand wußte Clameran zu
entkräften. Die beiden Verbrecher saßen noch bis zum
frühen Morgen beisammen, um genau festzustellen, wie das
schändliche Vorhaben ausgeführt werden sollte. Die
Sache mußte rasch ins Werk gesetzt werden, damit Prosper nicht
etwa inzwischen das Stichwort wechsele, andererseits aber meinte Raoul,
könne Clameran das Geld nicht ohne weiteres verlangen, da eine
längere Kündigungsfrist bedungen war.
    »Das allerdings,« versetzte Louis,
»aber, wenn ich Fauvel sage, ich benötige das Geld
dringend, er erweise mir damit eine besondere Gefälligkeit,
wird er einen Stolz darein setzen, mir zu zeigen, daß er
jederzeit über große Summen verfügt. Wir
haben also nur darauf Bedacht zu nehmen, daß du Frau Fauvel
allein zu Hause findest.«
    »Das trifft für übermorgen zu. Herr
Fauvel und Lucian sind zu einem Freunde des Bankiers geladen, und Magda
hat wie gewöhnlich ihr Lesekränzchen.«
    »Also – dann gilt es für
übermorgen?«
    Als sich die beiden Gesellen trennten, konnte sich Raoul eines
unbehaglichen Gefühls nicht erwehren, ihm graute fast vor dem,
was ihm bevorstand.
    Er war noch jung, kein hartgesottener Verbrecher, ja, er
fühlte das Bedürfnis, ehrlich

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