Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Hausmädchen brachte ihn zur Tür, und Miller ging in Richtung Bahnhof, in dessen Nähe er sich ein Hotelzimmer genommen und seinen Wagen geparkt hatte. Eine Stunde später war er bereits unterwegs nach Stuttgart. Zu der Zeit rief der Anwalt Bayer an und unterrichtete ihn von dem flüchtigen Besucher Rolf Günther Kolb, der am frühen Abend ankommen würde. Bei strahlender Sonne wäre die Burgenstraße, die aus der fruchtbaren Ebene des Frankenlandes zu den baumbestandenen Hügeln und den Tälern Württembergs führte, malerisch zu nennen gewesen. An einem bitter kalten Februarnachmittag, an dem Glatteis die Mulden der Straßenoberfläche bedeckte und Nebel sich in den Tälern bildete, war die kurvenreiche Strecke zwischen Ansbach und Crailsheim mörderisch. Zweimal wäre der schwere Jaguar um ein Haar in den Chausseegraben gerutscht, und zweimal mußte Miller sich zur Ordnung rufen. Es bestand kein Grund zur Eile; Franz Bayer würde ihm nicht weglaufen.
Er traf nach Dunkelwerden in Stuttgart ein und fand in einem Außenbezirk der Stadt ein kleines Hotel. Es hatte sogar eine Garage und einen Nachtportier. Miller kaufte an der Rezeption einen Stadtplan. Die Straße, in der Bayer wohnte, befand sich im Stadtteil Ostheim, einer gepflegten Wohngegend. Ganz in der Nähe stand die Villa Berg, in deren Park sich einst die württembergischen Prinzen in lauen Sommernächten mit ihren Damen vergnügt hatten.
Miller sah gründlich auf der Karte nach und fuhr in den Talkessel, wo der Stadtkern von Stuttgart liegt. Er parkte den Wagen einen halben Kilometer von Bayers Haus entfernt. Von der Dame, die sich auf dem Heimweg von einem Krankenbesuch befand und den Jaguar sowie den gutaussehenden jungen Mann mit einem anerkennenden Blick streifte, nahm Miller, der in diesem Augenblick den Wagen abschloß, keine Notiz.
Kurz vor acht griff der Anwalt in Nürnberg zum Telefon, um von Bayer zu hören, daß der Flüchtling Kolb sicher eingetroffen war. Bayers Frau meldete sich am Apparat.
»Oh, ja, der junge Mann«, sprudelte sie hervor. »Er ist hier, eben angekommen. Ich hatte ihn schon vorher gesehen; bin an ihm vorbeigekommen, als er seinen Wagen parkte. Ich war gerade auf dem Heimweg von einem Besuch im Krankenhaus. Aber er hat ihn kilometerweit vom Haus entfernt abgestellt. Er muß sich verfahren haben. Das kann einem leicht passieren hier in Stuttgart, mit den vielen Einbahnstraßen …«
»Entschuldigen Sie, Frau Bayer«, unterbrach sie der Anwalt. »Der Mann hat seinen Volkswagen in Bremerhaven stehengelassen. Er ist mit der Bahn gekommen.«
»Nein, nein«, widersprach Frau Bayer, glücklich, besser informiert zu sein. »Er ist mit dem Wagen gekommen. Ein so netter junger Mann und so ein schöner Wagen. Ich bin sicher, daß ihm alle Mädchen nachlaufen, mit so einem fabelhaften …«
»Frau Bayer, das ist wichtig! Was für ein Wagen war das?«
»Nun ja, die Marke kenne ich natürlich nicht. Aber es war ein Sportwagen. Ein langer schwarzer Sportwagen mit einem gelben Streifen an den Seiten …«
Der Anwalt schmetterte den Hörer auf die Gabel, nahm ihn gleich wieder auf und wählte eine Nummer in Nürnberg. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Als sich das Hotel meldete, verlangte er einen Zimmeranschluß. Der Hörer wurde abgenommen, und eine vertraute Stimme sagte: »Hallo.«
»Mackensen«, bellte der Werwolf, »kommen Sie schnell rüber. Wir haben Miller gefunden.«
Kapitel 12
Franz Bayer war genauso fett und kugelrund und munter wie seine Frau. Er war vom Werwolf auf die Ankunft des Flüchtigen vorbereitet worden und hatte Miller an der Tür begrüßt. Es war kurz vor 8 Uhr gewesen.
Miller war Bayers Frau vorgestellt worden, die ihn mit einem erstaunten und wohl auch ein wenig bewundernden Blick ansah, bevor sie sich geschäftig in die Küche zurückzog.
»Wie ist es«, fragte Bayer, »sind Sie schon mal in Württemberg gewesen, mein lieber Kolb?«
»Nein, ehrlich gesagt, noch nie.«
»Ha, nun, wir sind ein sehr gastfreundliches Völkchen. Sicher möchten Sie sich erst mal stärken. Haben Sie heute schon etwas gegessen?«
Miller sagte ihm, daß er weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen und den ganzen Nachmittag im Zug verbracht habe. Bayer war außerordentlich besorgt.
»Sie Ärmster, wie schrecklich. Sie müssen etwas essen. Wissen Sie was, wir fahren rasch in die Stadt und essen erst mal was Gutes. Keine Widerrede, mein Bester!«
Er watschelte in die Küche, um seiner Frau zu sagen, daß er
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