Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
daß es sich um einen anderen Mann hätte handeln können, aber zum Glück lautete der Name im Hotelregister weder Kolb noch Miller, und ein schwarzer Sportwagen war nicht erwähnt worden.
»Wenigstens war er so vernünftig, sich mit falschem Namen einzutragen«, sagte Leon.
»Das war er seiner Rolle als Kolb schuldig«, erklärte Motti. »Kolb sollte doch vor der Bremer Polizei auf der Flucht sein, die wegen Kriegsverbrechen nach ihm fahndete.«
Aber das war ein schwacher Trost. Wenn die Stuttgarter Polizei Miller nicht finden konnte – die Gruppe Leon konnte es auch nicht. Sie hatten allen Anlaß zu befürchten, daß die ODESSA Miller inzwischen entschieden dichter auf den Fersen war als sie selbst oder die Polizei.
»Nachdem er Bayer umgebracht hatte, mußte ihm klar gewesen sein, daß seine Tarnung als Kolb hinfällig geworden war. Deswegen wird er auf den Namen Miller umgeschaltet haben«, überlegte Leon. »Er mußte die Suche nach Roschmann also aufgeben – oder er hat von Bayer etwas erfahren, das ihn auf Roschmanns Fährte setzte.«
»Warum, zum Teufel, meldet er sich dann nicht?« brauste Josef auf. »Glaubt dieser Dilettant vielleicht, er könnte es ganz allein mit Roschmann aufnehmen?«
Motti hüstelte leise.
»Er weiß nicht, wie wichtig Roschmann für die ODESSA ist.«
»Wenn er ihm nahe genug kommt, wird er es schon merken«, sagte Leon.
»Falls er bis dahin nicht schon ein toter Mann ist, womit wir glücklich wieder auf dem Nullpunkt angelangt wären«, bemerkte Josef bitter. »Warum ruft der Idiot nicht an?«
Beim Werwolf dagegen blieb das Telefon in jener Nacht nicht stumm. Klaus Winzer rief ihn aus einem Bergschloß in der Regensburger Gegend an. Der Werwolf hatte beruhigende Nachrichten für ihn.
»Ja, ich glaube, Sie können jetzt ohne Bedenken heimfahren«, sagte der Chef der ODESSA. »Der Mann, der Sie sprechen wollte, ist inzwischen mit Sicherheit unschädlich gemacht worden.«
Der Fälscher dankte ihm, beglich seine Hotelrechnung und startete noch in derselben Nacht zur Rückfahrt nach Osnabrück. Er würde rechtzeitig zum Frühstück zu Hause ankommen. Er wollte dann gleich ein Bad nehmen, lange schlafen und am Montagmorgen wie gewohnt in die Druckerei gehen.
Miller erwachte, als an die Tür geklopft wurde. Er blinzelte, stellte fest, daß er das Licht hatte brennen lassen, und schloß auf. Der Hausdiener stand in der Tür und hinter ihm Sigi. Miller beruhigte den Mann mit der Erklärung, daß Sigi seine Frau sei, die ihm wichtige Akten für eine Geschäftsbesprechung am Vormittag mitgebracht habe. Der Hausdiener, ein Bursche vom Lande, der ein für Miller schwer verständliches Hessisch sprach, nahm wortlos sein Trinkgeld und ging.
Sigi warf die Arme um Millers Hals, als er die Zimmertür mit dem Fuß zustieß.
»Wo warst du? Was tust du hier?«
Er unterband ihre Fragen in der einfachsten und wirksamsten Weise, und als sie einander losließen, waren Sigis kalte Wangen gerötet und erhitzt, und Miller atmete rascher.
Er nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn auf den Haken an der Tür. Sie begann erneut Fragen zu stellen.
»Vorrangiges verdient vorrangig behandelt zu werden«, sagte er und zog sie auf das Bett hinunter, das dank der dicken Federdecke, unter der er ein paar Stunden geschlafen hatte, noch immer warm war. Sie kicherte.
»Du hast dich nicht verändert.«
Sie trug ihr tief ausgeschnittenes Abendkleid aus dem Klub und darunter ein Nichts von einem Büstenhalter. Er öffnete den Reißverschluß am Rücken ihres Kleides und streifte ihr die schmalen Träger von den Schultern.
»Und du? Hast du dich verändert?« fragte er sie leise.
Sie atmete tief und legte sich zurück, als er sich über sie beugte und sie an sich zog.
»Nein«, flüsterte sie. »Überhaupt nicht. Du weißt, was ich mag.«
»Und du weißt, was ich mag«, murmelte er nahezu unverständlich.
Sie quietschte auf.
»Ich bin zuerst dran. Du hast mir mehr gefehlt als ich dir.«
Eine Antwort blieb aus, aber Sigis Stöhnen und Seufzen war beredt genug. Es dauerte eine Stunde, bis sie, außer Atem und glücklich, voneinander abließen. Miller füllte das Zahnputzglas mit Kognak und Wasser, und Sigi, die nie viel trank, nippte nur daran. Den Rest trank Miller.
»Und jetzt«, sagte Sigi scherzend, »nachdem vorrangig erledigt wurde …«
»Vorläufig«, warf Miller ein. Sie kicherte.
»Jetzt darf ich vielleicht erfahren, was es mit dem mysteriösen Brief auf sich hatte, warum du sechs Wochen,
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