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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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schießen würde, und die Frage, wie er ihm eine Falle stellen konnte, war ihm wichtiger als das Schicksal eines obskuren alten Juden, der lange tot war.
    »Tauber starb am 22.   November letzten Jahres. Er hat den Gashahn aufgedreht. Hören Sie mir zu?«
    »Ja, wenn’s sein muß.«
    »Er hinterließ ein Tagebuch. Einen Bericht über seine Leidensgeschichte, über das, was ihm in Riga und andernorts, hauptsächlich aber in Riga, zugestoßen ist – was Sie und andere ihm angetan haben. Aber er überlebte, er kam zurück nach Hamburg und lebte dort noch achtzehn Jahre lang, bevor er Selbstmord beging. Er beging Selbstmord, weil er überzeugt war, daß Sie lebten und nie vor Gericht gestellt werden würden. Ich habe sein Tagebuch an mich genommen. Er brachte mich auf Ihre Spur – und ich habe Sie gefunden.«
    »Das Tagebuch eines Toten hat keine Beweiskraft«, knurrte Roschmann.
    »Nicht für Gerichte«, sagte Miller. »Aber mir genügt es.«
    »Und Sie sind wirklich nur hergekommen, um mich für das, was vor Jahrzehnten irgendein Jude in sein Tagebuch geschrieben hat, zur Rechenschaft zu ziehen?«
    »Nein, keineswegs. In dem Tagebuch gibt es eine bestimmte Seite, die Sie lesen sollten.«
    Miller schlug sie auf und hielt Roschmann das Tagebuch hin.
    »Lesen Sie«, befahl er, »und zwar laut.«
    Roschmann gehorchte. Es handelte sich um die Passage, in der Tauber beschrieb, wie Roschmann auf dem Kai von Riga einen mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichneten namenlosen Offizier der Wehrmacht ermordete.
    Roschmann las die Passage laut zu Ende und blickte auf.
    »Na und?« sagte er. »Der Mann hatte mich geschlagen. Er widersetzte sich meinen Anordnungen. Ich hatte Vollmacht, das Schiff zu beschlagnahmen, um die Gefangenen zurückzutransportieren.«
    Miller hielt ihm ein Photo entgegen.
    »Ist das der Mann, den Sie umgebracht haben?«
    Roschmann warf einen Blick auf das Photo und zuckte mit den Achseln. »Wie soll ich das heute noch wissen? Es ist zwanzig Jahre her.«
    Miller entsicherte die Pistole und richtete sie auf Roschmanns Kopf.
    »War das der Mann?«
    Roschmann blickte auf das Photo.
    »Also gut. Er war es. Was weiter?«
    »Das war mein Vater«, sagte Miller.
    Alle Farbe wich aus Roschmanns Gesicht. Sein Unterkiefer sackte herab, und sein Blick irrte zu dem einen halben Meter entfernten Pistolenlauf. Die Hand, die ihn hielt, war ruhig.
    »Mein Gott«, flüsterte er, »Sie sind also gar nicht wegen der Juden gekommen?«
    »Nein. Das mit den Juden ist entsetzlich – aber daß ich jetzt hier bin, das haben Sie dem Mord an meinem Vater zu verdanken.«
    »Aber wie kommen Sie dazu, dem Tagebuch mit Sicherheit entnehmen zu wollen, daß der Mann wirklich Ihr Vater war? Ich habe seinen Namen nie erfahren – woher wollen Sie es also wissen?«
    »Mein Vater starb am 11.   Oktober 1944 in Kurland«, sagte Miller. »Zwanzig Jahrelang war das alles, was ich wußte. Dann las ich das Tagebuch. Es war der gleiche Tag, das gleiche Gebiet, die beiden Männer hatten den gleichen Rang. Vor allem aber trugen beide das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Es gab nicht sehr viele, die damit ausgezeichnet worden waren, und noch weniger darunter waren Hauptleute der Wehrmacht. Die Chance, daß die beiden Offiziere, die am gleichen Tag in der gleichen Gegend starben, nicht identisch waren, ist eins zu einer Million.«
    Roschmann wußte nun, daß er es mit einem Mann zu tun hatte, der seinen Überredungskünsten nicht zugänglich war. Wie gelähmt starrte er auf den Pistolenlauf.
    »Sie wollen mich umbringen! Das dürfen Sie nicht tun, nicht kaltblütig. Tun Sie das nicht, Miller. Bitte, tun Sie das nicht, ich will nicht sterben.« Endlich hatte Miller Roschmann dort, wo er ihn haben wollte. Er beugte sich vor und begann zu sprechen.
    »Jetzt hör mir mal zu, du widerwärtiges Schwein, deine lügenhaften Verdrehungen habe ich mir lange genug angehört. Mir ist speiübel davon. Ich weiß nicht, was mir lieber wäre: daß ich dich gleich abknalle oder daß ich zusehe, wie du den Rest deines Lebens hinter Gittern verbringst. Versuch bloß nicht, dich auf Befehle herauszureden und auf eine Gemeinschaft mit den Millionen Soldaten, die gefallen sind. Diese Gemeinschaft gab es nicht und die konnte es auch nicht geben, denn diese Millionen, die gefallen sind, fielen im Kampf, im Kampf gegen bewaffnete Männer. Ihr aber habt im Rücken der Front einen Krieg ohne Risiko geführt, einen Krieg gegen ausgehungerte, ausgemergelte, zerbrochene Männer,

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