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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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kalt.
    »Ja?« sagte er.
    Miller brauchte einige Sekunden, um ein Wort herauszubringen. Was er geprobt hatte, war vergessen.
    »Mein Name ist Miller«, sagte er, »und Ihrer ist Roschmann.«
    Bei der Nennung der beiden Namen flackerte in den Augen des Mannes vor ihm etwas auf, aber seine eiserne Selbstbeherrschung ließ ihn keine Miene verziehen.
    »Sie irren sich«, sagte er schließlich. »Ich habe den Namen, den Sie da nennen, nie gehört.«
    Hinter der Fassade äußerster Ruhe stellte der ehemalige SS-Führer fieberhaft Überlegungen an. Seit 1945 hatte er Krisensituationen in seinem Leben wiederholt durch rasches, präzises Denken gemeistert. Von seiner Unterhaltung mit dem Werwolf her erinnerte er sich nur zu gut an den Namen Miller. Sie war ja erst ein paar Wochen her. Seine erste Regung war, dem Besucher die Tür vor der Nase zuzuschlagen, aber er beherrschte sich.
    »Sind Sie allein zu Hause?« fragte Miller.
    »Ja«, antwortete Roschmann wahrheitsgemäß.
    »Dann gehen wir in Ihr Arbeitszimmer«, bestimmte Miller rundheraus.
    Roschmann erhob keine Einwände, denn er war sich darüber im klaren, daß er Zeit gewinnen und Miller so lange hinhalten mußte, bis …
    Er drehte sich auf dem Absatz um und durchquerte mit langen Schritten die Halle. Miller warf die Tür hinter sich zu und folgte Roschmann ins Arbeitszimmer. Es war ein behaglich eingerichteter Raum mit einer dick gepolsterten Tür und einem flackernden Kaminfeuer. Miller schloß die Tür hinter sich.
    Roschmann blieb in der Mitte des Zimmers stehen und wandte sich zu Miller um.
    »Ist Ihre Frau hier?« fragte Miller. Roschmann schüttelte den Kopf. »Sie ist über das Wochenende zu Verwandten gefahren«, sagte er. Das entsprach der Wahrheit. Sie war am Abend zuvor überraschend angerufen worden und hatte den Zweitwagen genommen. Der andere Wagen der Roschmanns hatte einen Schaden am Motor und stand in der Garage. Roschmann erwartete seine Frau am Abend zurück.
    Was er wohlweislich nicht erwähnt hatte und worum seine fieberhaften Überlegungen kreisten, das war die Tatsache, daß sein massiger kahlrasierter Leibwächter und Fahrer Oskar ins Dorf hinuntergeradelt war, um zu melden, daß der Telefonanschluß gestört war. Roschmann wußte, daß er das Gespräch mit Miller bis zu Oskars Rückkehr nicht abreißen lassen durfte. Als er sich zu seinem Besucher umwandte, hielt der junge Reporter eine Automatic in der Hand, die auf seinen Bauch gerichtet war. Roschmann hatte Angst, verbarg sie aber hinter gespielter Überlegenheit.
    »Sie wagen es, mich in meinem eigenen Haus mit einer Pistole zu bedrohen?«
    »Rufen Sie doch die Polizei«, sagte Miller und deutete mit einem Kopfnicken auf das Telefon auf dem Schreibtisch. Roschmann machte keine Anstalten, es zu benutzen.
    »Ich stelle fest, daß Sie noch immer leicht hinken«, bemerkte Miller. »Der orthopädische Schuh gleicht zwar recht gut aus, aber ganz läßt es sich doch nicht verleugnen. Im Lager Rimini hat man Ihnen die Zehen amputiert. Sie waren Ihnen auf der Flucht durch Österreich erfroren, stimmt’s?«
    Roschmann kniff die Augen leicht zusammen, sagte aber nichts.
    »Sehen Sie, Herr Direktor, wenn Sie die Polizei rufen, wird die Sie identifizieren. Das Gesicht ist das gleiche geblieben, die Schußwunde in der Brust und die Narbe unter der linken Achselhöhle, wo sie zweifellos versucht haben, die Blutgruppentätowierung der SS zu entfernen – alle diese Dinge erleichtern den Beamten ihre Arbeit. Wollen Sie also wirklich die Polizei rufen?«
    »Was wollen Sie, Miller?« fragte er.
    »Setzen Sie sich«, sagte der Reporter. »Nicht an den Schreibtisch, sondern in den Sessel, damit ich Sie sehen kann. Und behalten Sie die Hände auf den Armlehnen. Geben Sie mir keinen Anlaß zum Schießen, denn, glauben Sie mir, ich täte es liebend gern.«
    Roschmann setzte sich in den Sessel; er nahm seine Augen nicht von der Waffe. Miller setzte sich ihm gegenüber auf die Schreibtischkante.
    »Und jetzt unterhalten wir uns«, sagte er.
    »Worüber?«
    »Über Riga. Über achtzigtausend Menschen – Männer, Frauen und Kinder –, die Sie dort niedergemetzelt haben.«
    Roschmann hatte begriffen, daß ihn Miller offenbar nicht sofort erschießen wollte. Langsam gewann er seine Gelassenheit wieder. Die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Er riß seinen Blick von der Waffe los und sah Miller an.
    »Das ist eine Lüge. In Riga sind niemals achtzigtausend Häftlinge umgekommen.«
    »Siebzigtausend?

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