Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
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Glücks lehnte sich zurück, blickte zur Zimmerdecke und berichtete seinem Untergebenen die wahre Geschichte der ägyptischen Raketen.
In den ersten Nachkriegsjahren, als König Faruk noch in Ägypten herrschte, waren Tausende von Nazis und ehemaligen SS-Angehörigen aus Europa geflohen; an den Ufern des Nil hatten sie ein sicheres Refugium gefunden.
Lange bevor der Staatsstreich Faruk vom Thron jagte, hatte er zwei deutsche Wissenschaftler beauftragt, für eine Fabrik zur Herstellung von Raketen Pläne zu entwerfen. Das war im Jahre 1952; die beiden deutschen Spezialisten hießen Paul Goerke und Rolf Engel. Das Projekt war zunächst auf Klein- und Feststoffraketen begrenzt.
In den ersten Jahren nach Gamal Abdel Nassers Machtergreifung war das Projekt in Vergessenheit geraten, aber nach der militärischen Niederlage der ägyptischen Truppen im Sinai-Feldzug von 1956 legte der neue Diktator einen Eid ab. Er schwor, daß Israel eines Tages dem Erdboden gleichgemacht werden würde.
Als Moskau 1961 Nassers Forderungen nach schweren Raketen endgültig ablehnte, wurde das Projekt einer ägyptischen Raketenfabrik wiederaufgenommen und mit größter Energie vorangetrieben. Noch im gleichen Jahr bauten und eröffneten die Ägypter, die unter der Leitung der beiden deutschen Professoren Tag und Nacht gearbeitet und von der Regierung unbegrenzte finanzielle Unterstützung erhalten hatten, die Fabrik 333 in Heliopolis.
Eine Fabrik zu bauen und in Betrieb zu nehmen, ist eines; Raketen zu entwerfen und zu bauen etwas anderes. Seit langem hatten die frühesten Nasser-Parteigänger, zumeist Leute mit profaschistischer Vergangenheit, die bis in die Tage des Zweiten Weltkriegs zurückreichte, enge Kontakte mit den ODESSA-Vertretern in Ägypten unterhalten. Sie waren es, die Ägypten die Lösung seines größten Problems offerierten – nämlich Wissenschaftler zu gewinnen für die Herstellung von Raketen.
Weder Rußland noch Amerika, England oder Frankreich waren bereit, auch nur einen einzigen qualifizierten Mann zu stellen. Die ODESSA wies jedoch darauf hin, daß Nasser Raketen von der Größe und Reichweite der V-2-Raketen brauchte, die Wernher von Braun während des Krieges mit seinem Team in Peenemünde gebaut hatte. Und eine ganze Anzahl seiner ehemaligen Mitarbeiter war noch immer verfügbar.
Gegen Ende 1961 begann die Anwerbung deutscher Wissenschaftler. Viele von ihnen waren im Forschungsinstitut für Physik der Strahlantriebe in Stuttgart tätig. Da die Pariser Verträge von 1954 den Deutschen Forschungs- und Produktionsvorhaben auf Gebieten der Kernphysik und des Raketenwesens untersagten, fühlten sich viele Wissenschaftler ohne befriedigende Aufgabe. Außerdem litt die Forschungsarbeit des Institutes unter ständigem Geldmangel. Für viele Wissenschaftler war daher die Aussicht auf einen Platz an der Sonne allzu bestechend, zumal das auch reichliche Forschungsmöglichkeiten bedeutete.
Die ODESSA beauftragte einen Mann ihres Vertrauens mit der Rekrutierung von Wissenschaftlern in Deutschland, und dieser seinerseits ernannte einen Mann namens Heinz Krug zu seinem Gehilfen. Gemeinsam durchkämmten sie Westdeutschland auf der Suche nach Männern, die bereit waren, nach Ägypten zu gehen, um für Nasser Raketen zu bauen.
Dank ihrer großzügigen Gehaltsangebote brauchten sie sich über Mangel an Zulauf von hockqualifizierten Spezialisten nicht zu beklagen. Unter den Angeworbenen war unter anderen Professor Wolfgang Pilz, der nach dem Krieg bereits von den Franzosen angeworben worden war und später der Vater der französischen Veronique-Rakete wurde, der Grundlage des Weltraumprogramms de Gaulles. Professor Pilz ging Anfang 1962 nach Ägypten. Zu den angeworbenen Wissenschaftlern gehörten auch der Spezialist für Steuerungssysteme Dr. Heinz Kleinwächter, Dr. Endle und Dr. Kernberger, ebenfalls Spezialisten auf dem Gebiet der Schubkraft- und Treibstofforschung und -technik.
Die ersten Ergebnisse ihres Wirkens bekam die Welt am achten Jahrestag von Faruks Sturz am 23. Juli 1962 während der Militärparade auf den Straßen Kairos zu sehen. Die El Kahira und die El Zafira , zwei Raketen mit Reichweiten von 500 beziehungsweise 300 Kilometer, wurden von Zugmaschinen an der jubelnden Menge vorbeigeschleppt. Obwohl es sich bei diesen beiden Raketen lediglich um Raketenmäntel ohne Sprengköpfe und Treibstoff handelte, waren sie als die ersten der insgesamt vierhundert Raketen dazu ausersehen, eines
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