Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
außenpolitischen Gründen ablehnt, weil es die Araber nachhaltig verstimmt hat. Diese Kreise sind unseren Interessen förderlich – wenn auch größtenteils unwissentlich –, weil sie sogar auf Kabinettsebene auf den Trottel Erhard Druck ausüben können, das Waffenabkommen zu widerrufen.«
»Jawohl. Ich verstehe, Gruppenführer.«
»Gut. Bis jetzt hat Erhard die Waffenlieferungen noch nicht eingestellt, aber er hat schon mehrmals geschwankt, ob er es nicht doch tun sollte. Kennedy wollte dieses deutsch-israelische Waffenabkommen, das war das Hauptargument der Kräfte, die ein Interesse daran hatten, es in Kraft zu setzen. Denn was Kennedy gewollt hat, hat er immer von Erhard bekommen.«
»Ja, das stimmt.«
»Aber Kennedy ist tot.«
Der jüngere Mann aus Deutschland lehnte sich im Sessel zurück. Glücks klopfte die Asche seiner Zigarre auf die Untertasse und skandierte seine weiteren Ausführungen mit der Corona zwischen Daumen und Zeigefinger; das glühende Ende war auf seinen Untergebenen gerichtet.
»Für den Rest dieses Jahres werden sich die politischen Anstrengungen unserer Freunde und Gönner in Deutschland darauf zu konzentrieren haben, die öffentliche Meinung in größtmöglichem Umfang gegen dieses Abkommen zu mobilisieren und für unsere wahren und traditionellen Freunde, die Araber.«
»Jawohl, das kann und muß geschehen.« Der jüngere Mann lächelte breit.
»Bestimmte Kontaktleute, die wir in der Kairoer Regierung sitzen haben, werden dafür Sorge tragen, daß eine ganze Serie diplomatischer Proteste sowohl über ihre eigenen Botschaften als auch über die diplomatischen Vertretungen anderer Staaten erfolgt«, fuhr Glücks fort. »Andere arabische Freunde werden veranlassen, daß Demonstrationen arabischer Studenten und ihrer deutschen Freunde stattfinden. Ihre Aufgabe wird es sein, die Pressekampagne durch die Blätter und Zeitschriften, die wir heimlich finanzieren, sowie durch geeignete ›Betreuung‹ solcher Staatsbeamten zu koordinieren, die ihrerseits Regierungsmitgliedern und Politikern nahestehen. Sie müssen wir unbedingt dazu bewegen, sich dem wachsenden Trend der öffentlichen Meinung anzuschließen. Sie müssen gegen das Waffenabkommen votieren.
Der jüngere Mann runzelte die Brauen.
»Es ist heutzutage außerordentlich schwer, in Westdeutschland gegen Israel Stimmung zu machen«, bemerkte er.
»Das ist auch gar nicht erforderlich.« Glücks schnitt ihm das Wort ab. »Der Aufhänger ist ganz einfach: Aus praktischen Erwägungen darf Westdeutschland nicht achtzig Millionen Araber durch diese vermeintlich geheimen und törichten Waffenlieferungen verstimmen. Diesem Argument werden sich viele Leute – und besonders Diplomaten – nicht verschließen können. Auf unsere Freunde im Auswärtigen Amt können wir uns verlassen. Ein solcher pragmatischer Gesichtspunkt ist durchaus erlaubt. Selbstverständlich werden die nötigen Mittel bereitgestellt werden. Die Hauptsache ist jetzt, wo Kennedy tot ist und Johnson nicht der Mann zu sein scheint, der Kennedys projüdischen Standpunkt zu übernehmen gedenkt, daß auf Erhard bei jeder Gelegenheit und auf allen Ebenen – auch und gerade auf Kabinettsebene – Druck ausgeübt wird, von dem Abkommen zurückzutreten. Wenn wir den Ägyptern beweisen können, daß wir in der Lage sind, eine Kursänderung in der Bonner Außenpolitik herbeizuführen, werden unsere Aktien in Kairo beträchtlich steigen.«
Der Mann aus Deutschland, der seinen Schlachtplan bereits in großen Zügen vor sich sah, nickte mehrmals.
»Das schaffen wir schon«, sagte er.
»Ausgezeichnet«, bemerkte Glücks. Sein Besucher blickte auf.
»Gruppenführer, Sie erwähnten vorhin die deutschen Wissenschaftler, die in Kairo arbeiten …«
»Ach ja, ich sagte, daß ich auf dieses Thema noch zurückkommen wollte. Sie leisten die Gewähr für das Gelingen unseres Plans, die Juden endgültig zu vernichten. Ich nehme an, Sie sind über die Raketen von Helwan informiert?«
»Jawohl, Gruppenführer. Zumindest in groben Zügen.«
»Aber Sie wissen nicht, zu welchem Zweck sie in Wirklichkeit bestimmt sind?«
»Nun, ich nehme natürlich an …«
»… daß sie dazu verwendet werden sollen, ein paar tausend Tonnen hochbrisanten Sprengstoffs über Israel abzuladen?« Glücks lächelte breit. »Weit gefehlt. Aber ich glaube, es ist an der Zeit, Sie wissen zu lassen, warum diese Raketen und die Männer, die sie bauen, in Wahrheit von so entscheidender Bedeutung
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