Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
Polizeiausweis vor. Daraufhin wurde ihm ein Formular ausgehändigt. Sie setzten sich beide an einen Tisch und füllten es aus. Der Kriminalinspektor trug seinen Namen und Dienstrang ein. Er fragte Miller:
    »Wie hieß der Mann noch?«
    »Roschmann«, sagte Miller. »Eduard Roschmann.«
    »Geburtsdatum und Geburtsort?«
    Miller machte die gewünschten Angaben. Der Inspektor setzte Namen und Daten ein und gab das ausgefüllte Formular einem Archivangestellten.
    »Jetzt dauert’s ungefähr zehn Minuten«, sagte Schiller. Sie gingen in einen größeren Raum mit mehreren Reihen von Tischen und Stühlen. Nach einer Viertelstunde erschien ein anderer Archivangestellter und legte schweigend einen Aktenordner auf den Tisch. Der Ordner war etwa zweieinhalb Zentimeter dick. Auf dem Deckel stand die Aufschrift »Roschmann, Eduard«.
    Es waren noch drei oder vier andere Besucher über Akten gebeugt an Tischen. Miller stützte den Kopf in die Hände und vertiefte sich in die SS-Personalakte Eduard Roschmann.
    Es war alles lückenlos vorhanden – Parteimitgliedsnummer, SS-Mitgliedsnummer, Antragsformulare zur Aufnahme in beide Organisationen, ausgefüllt und unterschrieben von Roschmann selbst, Ergebnis der ärztlichen Untersuchung, Beurteilung seiner Eignung nach Abschluß der Ausbildungszeit, handschriftlicher Lebenslauf, Überstellungspapiere, Beförderungsurkunden – bis zum April 1945. Außerdem zwei Photos für die SS-Personalakte; eins im Profil, das andere en face. Sie zeigten einen Mann mit kurzem, linksgescheiteltem Haar und einem lippenlosen Schlitz von einem Mund; auf einer Aufnahme starrte er mit grimmigem Gesichtsausdruck in die Kamera, das andre war die Seitenansicht mit seiner scharfen Habichtsnase. Miller fing an zu lesen …
    Eduard Roschmann war am 25.   August 1908 in Graz als Sohn eines achtbaren Brauereimeisters geboren. Er besuchte Kindergarten, Volksschule und Höhere Schule in Graz und begann Jura zu studieren, um Rechtsanwalt zu werden. Nachdem er 1931 durch das Referendarexamen gefallen war, gab er das Studium im Alter von fünfundzwanzig Jahren auf. Er arbeitete in der Brauerei, in der sein Vater beschäftigt war. 1937 wurde er aus dem eigentlichen Braubetrieb in die Brauereiverwaltung versetzt. Im selben Jahr trat er der NSDAP und der SS bei – zu der Zeit in Österreich illegale Organisationen. Ein Jahr darauf annektierte Hitler Österreich und belohnte die österreichischen Parteimitglieder mit rascher Beförderung. 1939, bei Kriegsausbruch, meldete er sich freiwillig zur Waffen-SS, wurde nach Deutschland versetzt, im Winter 1939/40 ausgebildet und nahm als Angehöriger einer Einheit der Waffen-SS am Feldzug gegen Frankreich teil. Im Dezember 1940 wurde er von Frankreich aus nach Berlin versetzt – hier hatte jemand handschriftlich an den Rand der Akte »Feigheit?« vermerkt – und im Januar 1941 dem SD, Amt III des Reichssicherheits-Hauptamts, überstellt.
    Im Juli 1941 richtete er die erste SD-Dienststelle in Riga ein. Einen Monat später wurde er zum Kommandanten des dortigen Ghettos ernannt. Er setzte sich im Oktober 1944 per Schiff nach Deutschland ab und meldete sich, nachdem er die überlebenden Juden aus Riga dem SD in Danzig »übergeben« hatte, beim Reichssicherheits-Hauptamt der SS in Berlin zurück. Dort wollte er wohl seine weitere Verwendung abwarten. Das letzte SS-Dokument der Personalakte war anscheinend nicht mehr ausgefertigt worden. Vermutlich hatte sich im April 1945 der gewissenhafte kleine SS-Schreiber im Berliner Hauptquartier lieber um sich selbst gekümmert und davongemacht. Angeheftet an das Konvolut von Dokumenten war ein offenbar von einem Amerikaner stammender Aktenvermerk. Es war ein einzelner Bogen weißes Papier, auf dem in Schreibmaschinenschrift stand: »Kopie dieser Personalakte wurde der britischen Besatzungsbehörde im Dezember 1947 übersandt.«
    Darunter die unleserliche Unterschrift irgendeines Schreibstuben-GI. Als Datum war der 21.   Dezember 1947 angegeben.
    Miller blätterte die gesamte Akte noch mal durch, nahm den handschriftlichen Lebenslauf, die beiden Photos und das letzte Blatt heraus und ging zu dem Archivangestellten am anderen Ende des Lesesaals.
    »Könnten Sie mir von diesen Dokumenten Photokopien anfertigen?«
    »Gewiß.« Der Mann holte die Akte herbei und legte sie auf seinen Tisch, um die Originale sofort nach der Photokopie wieder in die Akte einzuheften. Ein anderer Besucher wollte zwei Dokumente aus einer Akte photokopieren

Weitere Kostenlose Bücher