Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
lassen. Der Archivangestellte nahm sie entgegen, trat an einen Mauerdurchlaß in der Wand und legte sie zu den anderen auf ein Tablett. Eine Hand, die unsichtbar blieb, beförderte sie weiter zum Photokopieren.
    »Es dauert etwa zehn Minuten«, sagte der Archivangestellte zu Miller und dem anderen Mann. Die beiden setzten sich, und Miller spürte unvermittelt heftiges Verlangen nach einer Zigarette. Aber hier war rauchen verboten. Der andere Besucher machte einen ungemein korrekten und peniblen Eindruck in seinem dunkelgrauen Wintermantel. Er hatte die Hände im Schoß gefaltet und saß reglos und mit undurchdringlicher Miene da.
    Zehn Minuten später wurde ein Rascheln hörbar, und zwei Umschläge erschienen in der Wandöffnung. Der Archivangestellte nahm sie entgegen und hielt sie hoch. Miller und der korrekt gekleidete andere Besucher standen auf, um die Photokopien in Empfang zu nehmen. Der Archivangestellte warf einen raschen Blick in einen der beiden Umschläge.
    »Personalakte Eduard Roschmann?« fragte er.
    »Für mich«, sagte Miller und streckte die Hand aus.
    »Dann ist dies für Sie«, sagte der Angestellte zu dem andern Mann, der Miller von der Seite her ansah. Der Mann im grauen Wintermantel nahm seinen Umschlag und ging mit Miller zum Ausgang. Miller eilte die Stufen hinunter, kletterte in seinen Jaguar, wendete und fuhr ins Stadtzentrum zurück. Eine Stunde später rief er Sigi an.
    »Ich bin Weihnachten zu Hause«, sagte er ihr.
    Zwei Stunden später war er schon auf der Rückfahrt. Als sich der Jaguar dem Kontrollpunkt näherte, saß der korrekt gekleidete Herr aus dem Document Center in seiner aufgeräumten hübschen Wohnung in der Nähe des Savignyplatzes und rief eine Nummer in Westdeutschland an. Er gab sich dem Mann am anderen Ende der Leitung zu erkennen und berichtete:
    »Ich war heute wieder im Document Center. Die übliche Routinearbeit. Da war noch ein anderer Mann. Er las die Personalakte eines Eduard Roschmann und ließ drei Photokopien anfertigen. In Anbetracht der Weisung über Aktenanforderungen, die mir kürzlich erteilt wurde, setze ich Sie davon in Kenntnis.
    Ein ganzer Schwall von Fragen brach über den Anrufer herein.
    »Nein«, sagte er, »den Namen habe ich nicht feststellen können. Er fuhr in einem langgestreckten schwarzen Sportwagen weg. Ja, habe ich. Es war eine Hamburger Nummer.«
    Er nannte sie. Der Mann am anderen Ende der Leitung notierte.
    »Na ja, ich dachte, ich melde es lieber. Ich meine, bei diesen Schnüfflern weiß man nie … Besser ist besser. Ja, danke, sehr freundlich von Ihnen. Sehr freundlich von Ihnen. Sehr gut, ich überlasse alles Weitere Ihnen. Fröhliche Weihnachten, Kamerad.«

Kapitel 7
    Heiligabend fiel auf den Dienstag, und der Mann in Westdeutschland, der die telefonische Nachricht von Millers Besuch im Document Center aus West-Berlin erhalten hatte, gab sie erst nach den Weihnachtsfeiertagen weiter. Er rief seinen höchsten Vorgesetzten an.
    Der Empfänger des Anrufs dankte seinem Informanten und legte dann den Hörer wieder auf. Er lehnte sich in seinem bequemen ledergepolsterten Chefsessel zurück und starrte aus dem Fenster auf die schneebedeckten Dächer der Altstadt.
    »Verdammt und nochmals verdammt!« zischte er. »Warum ausgerechnet jetzt? Warum jetzt?«
    Für alle Bürger seiner Stadt, die ihn kannten, war er ein beispiellos gerissener und erfolgreicher Anwalt. Für seine über die ganze Bundesrepublik verteilten Statthalter war er der Chef der innerdeutschen ODESSA. Seine Fernsprechnummer hätte man vergeblich im Telefonbuch gesucht. Sein Deckname war »Werwolf«.
    Bei Kriegsende leitete er eine Gruppe von SS-Führern, die überzeugt war, daß das Bündnis der Alliierten innerhalb weniger Monate zerbrechen würde. Diese SS-Leute bildeten eine Anzahl fanatisierter halbwüchsiger Jungen zum Widerstand gegen die verhaßten Besatzer aus. Diese seinerzeit in Bayern aufgestellte illegale Truppe, die kurz darauf von den Amerikanern überrannt wurde, war die ursprüngliche Werwolf-Organisation. Glücklicherweise bekamen die Jungen nie Gelegenheit, ihre in der Technik der Sabotage erworbenen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. Die Amerikaner standen damals noch ganz unter dem Eindruck der Greuel von Dachau, die sie auf ihrem Vormarsch gesehen hatten – sie waren mit Sicherheit weder milde noch nachsichtig gestimmt.
    Der erste Chef der ODESSA, die bald nach dem Kriege anfing, Westdeutschland zu unterwandern, hatte zu denen gehört, die 1945

Weitere Kostenlose Bücher