Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
alles erzählen. Danach kannst du über mich urteilen, wie du es für richtig hältst. Und wenn du die Scheidung willst, gut. Aber eines sage ich dir, Lukas. Ich werde um meinen Sohn kämpfen. Er braucht uns beide. Ich werde auf keinen Fall aus seinem Leben verschwinden oder ihn dir alleine überlassen, dass das gleich klar ist.“ Magali blitzte ihren Mann entschlossen an.
So hatte Lukas seine Frau erst einmal erlebt, damals in Urnäsch bei ihrer Wiederbegegnung nach sechs Jahren. Sie erinnerte ihn in diesem Augenblick stark an Rabea. „Also gut, ich höre dir zu. Wir setzen uns am besten.“ Mangels einer anderen Gelegenheit nahmen sie auf Mattis Bett Platz. Magali schob die Plüschtiere zusammen.
Jetzt, wo Lukas bereit war, ihr zuzuhören, fiel es ihr schwer, die richtigen Worte zu finden. „Es stimmt“, setzte sie an. „Ich bin Carlottas Tochter, aber ich habe es mir nicht ausgesucht, Lukas. Kein Kind kann das. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Alles, was ich über ihn weiß, ist, dass er ein pädophiler alter Priester war, der meine Mutter und auch deren Mutter missbraucht hat, als sie noch ganz junge Mädchen waren. Meine Großmutter war eine Waise, die mit sechzehn zu diesem Priester kam, um ihm den Haushalt zu führen. Sie war körperlich leicht behindert und froh über die Anstellung. Sie wurde von dem Priester schwanger, das Kind war meine Mutter. Sie wuchs dort auf, und später verging sich der Priester auch an ihr. Meine Großmutter hatte bis dahin ihr Schicksal still ertragen, aber nun setzte sie alles daran, ihr Kind, Carlotta, zu retten. Noch bevor sie mit ihrer Tochter fliehen konnte, hat der Priester sie getötet, vergiftet. Es kam nie heraus, meine Mutter blieb bei ihm. Mit fünfzehn wurde auch sie von ihm schwanger. Ihr Baby, mich, hat er ihr sofort nach ihrer Geburt weggenommen. Bald darauf war er selbst tot. Ich vermute, Mutter hat ihn getötet, so wie er ihre Mutter getötet hat. Als Mutter meinen Stiefvater Jaap geheiratet hat, hat sie mich mit seiner Hilfe aufgespürt und zu sich geholt. Damals war ich sechs. Vom ersten Tag an hat sie mich indoktriniert, sie lehrte mich, die Kirche und ihre Priester zu hassen. Als Kind habe ich Mutters Fanatismus nie begriffen, für mich war es völlig normal, zu hassen, was sie hasste. Ich war jung, ich liebte und bewunderte meine Mutter. Als sie mich damals vor gut neun Jahren gebeten hat, nach Mallorca zu fliegen und zu versuchen, dein Vertrauen zu gewinnen, war ich sofort dazu bereit.“
„Das verstehe ich nicht“, Lukas schüttelte den Kopf. „Was sollte das bringen? Das war doch lange, bevor ich in die Angelegenheiten meines Pater General Bentivoglio verwickelt worden bin? Es kann deiner Mutter zu diesem Zeitpunkt unmöglich bereits um die Schriftrollen gegangen sein.“
„Doch, es ging ihr immer nur darum, auch damals schon. Sie war davon besessen. Heute weiß ich das, aber damals war ich zu verblendet. Mutter hat recherchiert, dass es sich bei deiner Familie um die Nachfahren der italienischen Grafen di Stefano handelt. Du hast mir doch von dem Tagebuch deines Vorfahren Alexander erzählt. Mutter hat alles selbst herausgefunden: Dass ein Emanuele di Stefano 1773 dem letzten Jesuitengeneral Ricci als Sekretär gedient hat. Sie fand auch einen Hinweis, dass Ricci seinem Sekretär wichtige Geheimdokumente übergeben hat, damit er sie für den Orden in Sicherheit bringen kann. Mutter glaubte fest, dass sich eine Schatzkarte der Inkas darunter befunden hat. Die Spur deines Vorfahren Emanuele hat sich in der Geschichte verloren. Sie fand nur eine Zwillingsschwester namens Emilia, die nach Amerika ausgewandert ist. Dafür hat sie einen anderen deiner Vorfahren aufgestöbert: Piero di Stefano, Emanueles älteren Bruder alias Alexander von Stetten. Dieser tauchte nach dem Verbot sagenhaft reich in Nürnberg auf. Mutter war davon überzeugt, dass er die Schatzkarte aus dem Jesuiten-Besitz seinem Bruder Emanuele gestohlen hat. Dafür spricht auch die Schatz-Legende deiner Familie. Sie glaubte, dass ihr die Karte immer noch besitzt. So wie sie glaubte, dass da, wo die Schatzkarte ist, sich auch das Vermächtnis des Jesus befinden musste.“
„Ich verstehe. Deine Mutter hat dich damals schon auf mich angesetzt, um mich auszuspionieren.“
Magali senkte den Kopf. „Ja, aber wie du gemerkt hast, konnte ich das nicht. Denn der Abend und die Nacht mit dir haben alles verändert. Schon als mir Mutter vor meinem Abflug die Bilder von dir zeigte,
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