Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
die sich zu ihren Füßen niedergelassen hatten, in ihren Monolog ein: „Na, Stellina und Caruso? Wann gibt es Nachwuchs? Ach, ich vergaß, Caruso, das geht bei dir ja gar nicht mehr, du bist ja kastriert. Armes Tier.“
Zwischendurch wanderte Lucies Schreibblock zwischen ihnen hin und her und die beiden Geschwister schrieben sich kurze Botschaften. Lukas machte den Anfang:
„Wieso tust du nie das, worum man dich bittet?“
„Weil Jules der Beste dafür ist. Wie du weißt!!!“
„Das ist nicht der Punkt. Was ist, wenn die was merken und nicht anrufen?“
„Jules ist besser. Wenn draußen jemand herumspioniert, findet er das heraus. Relax.“
„Bitte kein Englisch.“ Ihr Bruder rollte genervt mit den Augen und kaute eine Weile auf dem Bleistift herum. Dann schrieb er:
„Warum rufen die nicht endlich an?“
Lucie kramte einen neuen Stift hervor, weil Lukas von ihrem nicht viel übrig gelassen hatte und antwortete ihm: „Die lassen dich mit Absicht schmoren“ , und laut: „Möchtest du noch eine Tasse Kaffee, Lukas? Ganz frisch aufgebrüht.“
Sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab, sondern stand auf, klapperte laut mit dem Geschirr und füllte die beiden rustikalen Henkelbecher nach. Die Pizza stand nach wie vor unberührt zwischen ihnen.
Lukas hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl. Er begann in der Küche umherzuwandern, während Lucie eines ihrer Zwiegespräche mit den beiden Hunden hielt, die aufmerksam jedem ihrer Worte lauschten.
Der junge Vater verharrte vor dem von ihm hastig zusammengepackten Picknickkorb. Er hatte ihn bei seiner Rückkehr auf dem Küchentresen abgestellt. Jetzt starrte er ihn an wie einen unerwünschten Fremdkörper. Der Korb erinnerte ihn schmerzhaft daran, wie ihn der Duft von frischgebackenem Kuchen in die Küche gelockt hatte. Magali hatte ihm mit dem Kochlöffel auf die Finger geschlagen, als sie ihn dabei erwischt hatte, wie er sich ein Stück Kuchen stibitzen wollte.
„Ganz der Sohnemann“, hatte sie gelacht und mit dem Kochlöffel auf Matti gezeigt, der mit baumelnden Beinen am Küchentisch gesessen und hingebungsvoll die Teigschüssel ausgeschleckt hatte.
Wie rasend schnell sich Dinge ändern konnten und wie schnell aus Glück Unglück werden konnte ...
Lucie, die ihren Bruder nicht aus den Augen gelassen hatte, trat zu ihm, drückte ihn fest an sich und flüsterte in sein Ohr: „Mut, Lukas.“
Kurz darauf griff sie in ihre Hosentasche und zog ihr Handy hervor, das sie auf Vibration gestellt hatte. Eine SMS von Jules! Lucie las die wenigen Worte und hielt das Display mit der Nachricht dann Lukas hin. Sie lautete:
„Bin vor eurem Haus. Keine Observierung! Komme jetzt rein. J.“
Lucie schenkte ihrem Bruder ein breites Grinsen, das nichts anderes bedeuten sollte als: „Na, wie habe ich das gemacht?“
Trotz aller Verzweiflung spürte auch Lukas einen winzig kleinen Funken Hoffnung in sich aufglimmen. Es war, wie seine Schwester vorhin gesagt hatte: Sie waren nicht nur durch die Geschwisterliebe miteinander verbunden, sondern da war mehr, eine besondere Empathie, die sie die Gefühle des anderen nachempfinden ließen. Er sah ihr tief in die Augen, und Lucie erwiderte seinen Blick mit der gleichen Intensität. Die Bande waren stark.
Die Haustürklingel schlug an und durchbrach den Bann. Lukas eilte zur Tür, riss sie auf und da stand Jules, in Jeans, Trainingsjacke und mit einer Sporttasche. „Entschuldigen Sie, Herr von Stetten, dass ich einfach so an einem Sonntag bei Ihnen hereinplatze. Ich war gerade auf dem Weg ins Fitnessstudio und da fiel mir ein, dass Sie ganz in der Nähe wohnen. Sie erinnern sich sicher noch an mich vom letzten Elternabend? Gerhard Mair. Es geht um meine Tochter Monika. Sie sagten mir, dass Gefahr bestünde, dass sie nicht versetzt werden könnte. Dürfte ich Sie deswegen kurz stören?“
Lukas ging darauf ein. „Natürlich, Herr Mair. Kommen Sie herein.“ Noch während der Begrüßung hatte Jules bereits ein kleines Gerät, einem Funkgerät nicht unähnlich, aus seiner Tasche hervorgezogen und es geschickt in seiner Handfläche verborgen ans Telefon gehalten. Jules ging nicht wirklich davon aus, dass die Entführer eine oder mehrere Minikameras im Haus installiert hatten, aber er wollte kein Risiko eingehen. Der Bug Detector vibrierte schwach in seiner Hand. Jules hatte die erste Wanze gefunden. Um sie würde er sich später kümmern.
„Sagen Sie“, meinte er zu Lukas, „Am Ende vom Dürerweg ist ein Eckreihenhaus
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