Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
wird. Ich will aber in deiner Nähe bleiben. Man weiß nie, wie sich die Dinge entwickeln. Darum habe ich meinen Plan etwas abgeändert. Wir nutzen das Überraschungsmoment. Wenn du plötzlich vor ihr stehst, wird sie dich schon aus Neugierde anhören wollen. Als Wissenschaftlerin ist das eine Berufskrankheit. Hier, nimm die.“ Er warf Lukas die Baseballkappe und den Kittel der Floristin zu. Beidem haftete noch der leichte Pfirsichduft seiner vormaligen Trägerin an. Zum Glück war der Kittel groß genug, dass er hineinpasste, nur zuknöpfen war nicht mehr drin.
Nach letzten Instruktionen für Lukas warf Jules einen Blick auf seine Uhr. „Schon nach neun. Wir sollten uns beeilen, sonst wundert sich noch jemand über die späte Blumenlieferung. Ich gehe davon aus, dass die Party nicht vor 22:00 Uhr beginnt, und selbst das wäre früh für spanische Verhältnisse. Wir verstecken uns so lange im Park zwischen den Bäumen, warten, bis die ersten Gäste eintreffen und mischen uns dann unter sie.“ Jules öffnete einen der Kleidersäcke und warf Kaschinski seinen Smoking zu. Aus einem Seitenfach beförderte er noch große schwarze Lackschuhe. Kaschinskis Reaktion nach entsprachen sie nicht ganz seiner Größe.
Jules packte seinen eigenen Kleidersack aus. Zuvor inspizierte er kurz die von Kaschinski organisierte Ausrüstung. Er nahm eine der modernen Handfeuerwaffen auf und erkannte das Fabrikat, noch bevor er das eingestanzte Gütesiegel vST entdeckt hatte. Das Markenzeichen hatte sich in Form und Aussehen seit dem ersten Patent vor über zweihundert Jahren nicht verändert. Jules fuhr mit dem Daumen darüber, dann prüfte er die Handlichkeit der Waffe und das Magazin.
„Dachte mir, dass Ihnen das gefallen würde“, grinste Kaschinski.
„Wie ich sehe, haben Sie etwas anderes für sich gewählt“, meinte Jules, der zusah, wie Kaschinski eine Smith & Wesson mit Patronen bestückte.
„Ach, mein Baby und ich sind schon so lange zusammen. Es käme mir vor, als würde ich sie betrügen. Wollen Sie wirklich keine kugelsichere Weste?“ Er hatte sich das Hemd ausgezogen und schlüpfte selbst in eine.
„Nein, aber geben Sie von Stetten eine davon und zeigen Sie ihm, wie man sie anlegt. Haben Sie auch Nachtsichtgeräte dabei?“
„Ja, sie sind noch in der blauen Tasche.“
Jules holte eines hervor und ging dann ins Schlafzimmer, um sich ebenfalls umzuziehen. Auf dem Bett stand seine schwarze Tasche. Für die Pistole hatte ihm Kaschinski ein Schulterhalfter mitgebracht. Sein Spezialmesser schob er in die linke Socke und schnallte sich noch eine weitere, kleinkalibrige Waffe um das rechte Schienbein. Zum Schluss verstaute er einige weitere Patronen in den beiden Smoking-Innentaschen.
Lukas war Jules gefolgt und beobachtete die Vorbereitungen mit gemischten Gefühlen. Er selbst musste sich nicht groß vorbereiten. Über die Jeans und das hellblaue Hemd, das er am Morgen für das Picknick angezogen hatte, trug er den grünen Kittel der Gärtnerin. Die rote Kappe hielt er noch in den Händen. Die kugelsichere Weste hatte er indes verweigert. „Sind denn all diese Waffen nötig?“, meldete er nun doch seine Skepsis an.
„Die Geschichte hat gezeigt, dass nur bewaffnete Propheten siegen“, antwortete Jules lakonisch.
Lukas verzog das Gesicht. „Vielen Dank, dass du jetzt ausgerechnet Machiavelli zitierst.“ Rabea hatte ihn früher allzu oft mit den Ergüssen des italienischen Politikers und Philosophen gequält. Ihr Lieblings-Machiavelli hatte gelautet: `Man kann einen Krieg beginnen, aber niemals beenden, wenn man will.`
Hinter Lukas betrat Kaschinski den Raum. Er lehnte sich mit verschränken Armen an den Türrahmen: „Was ist mit von Stetten? Bekommt er keine Waffe?“, erkundigte er sich, nachdem er Lukas kurz gemustert hatte.
„Nein. Er muss unbewaffnet bleiben. Wenn er auf die van Kampen trifft, werden ihre Leute ihn mit Sicherheit durchsuchen. Besser, sie finden dann keine Waffe bei ihm. Bist du bereit, Lukas?“
Zu dritt fuhren sie hinunter in die kleine Tiefgarage. Sie warteten, bis ein älteres Ehepaar, das den Aufzug unmittelbar vor ihnen benutzt hatte, in ihre Limousine gestiegen und weggefahren war.
„Ausgerechnet Rosenstöcke“, schimpfte Kaschinski, während er die Ladung des roten Pick-up einer Musterung unterzog.
„Na und?“
„Ich bin allergisch gegen Rosen.“
„Die kurze Fahrt werden Sie es ja wohl aushalten.“ Jules war bereits auf die Ladefläche geklettert und reichte Lukas
Weitere Kostenlose Bücher