Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
herumfahren. Zwei Männer betraten jetzt den Verhörraum.
Sie taxierte die beiden Eintretenden eingehend. Waren es diese Männer, die sie töten würden?
Beide waren ungefähr Mitte dreißig, gut gekleidet, kräftig, der eine blond und blauäugig, der andere dunkel mit fast schwarzen Augen. Sein olivfarbener Teint verriet eine indianische Abstammung. Sie schätzte ihn als den gefährlicheren der beiden ein.
Spannend fand sie, dass der Blonde ein frisches Veilchen hatte, das noch nicht voll erblüht war, der andere eine aufgeplatzte Lippe.
Sie forschte in den Gesichtern, suchte in den Augen eine Bestätigung dessen zu finden, was sie intuitiv an ihnen wahrgenommen hatte: Von diesen beiden Männern ging - jedenfalls für den Augenblick -, keine direkte Bedrohung für ihr Leben aus. Ihre ausdruckslosen Mienen waren Bestandteil einer Maske, die sie bei ihren Verhören aufsetzten.
Das war bei ihrem Verhör im Irak, zuerst durch die Military Intelligence DIA, danach durch die CIA, nicht anders gewesen. Damals hatten sich die Agenten beider Agencys bei ihr die Klinke in die Hand gegeben. Das wusste sie von Patrick. Die Männer selbst hatten sich bei ihr nicht vorgestellt. Das entsprach nicht ihrem Geschäftsgebaren. Diese hier würden sich ihr auch nicht vorstellen. Dafür hatte Rabea eben eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Sie war sich fast sicher, dass die Männer Amerikaner waren.
Der Blonde zog jetzt den zweiten Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. Der andere bezog mit verschränkten Armen neben ihm stehend Position.
Rabea blieb, wie sie war, Hände im Nacken, die Füße auf dem Tisch. Sie beschloss, die Partie mit einem unerwarteten Zug zu eröffnen. Eigentlich hatte sie sie auf das Wetter ansprechen wollen, aber das Aussehen der beiden lieferte ihr eine bessere Steilvorlage. Sie sprach absichtlich Deutsch und duzte sie: „Na? Wie sehen die anderen aus? Oder habt ihr euch gegenseitig vermöbelt?“ Nicht das Übliche: Wo bin ich - Wer sind Sie - Was wollen Sie von mir?
Wie nicht anders erwartet, ignorierte der Blonde ihre Worte und stellte stattdessen mit nüchterner Stimme fest: „Ihr Name lautet Rabea Ethel Kennedy. Ihre Mutter war Rebekkah Kennedy, geborene Rosenthal, Ihr Vater, Brian Kennedy, irischer Staatsbürger. Als Journalistin haben Sie unter dem Mädchennamen Ihrer Mutter, Rosenthal, publiziert. Miss Kennedy, Sie wissen, warum Sie hier sind?“ All dies sagte er in einem erstaunlich akzentfreien Deutsch, während er in einer mitgebrachten Akte blätterte.
Interessant , dachte Rabea. Diesmal hat man mir einen Typen geschickt, der Deutsch spricht. „Ich bevorzuge weiter den Namen Rosenthal. Und nein, eigentlich weiß ich nicht so recht, warum ich hier bin. Ich würde es aber gerne erfahren. Verraten Sie es mir?“
„Warum? Haben Sie noch mehr Dreck am Stecken, von dem wir bisher noch nichts wissen?“, konterte er ungerührt.
Rabea nahm die Füße vom Tisch und beugte sich zu ihm vor: „Wie Sie genau wissen, bin ich Journalistin. Eine Chronistin der Wahrheit. Ich berichte lediglich über diejenigen, die Dreck am Stecken haben. Darf ich über Sie schreiben?“, gab sie sanft zurück.
Erneut überging der Mann ihre Worte, aber er kam immerhin ihrer Namensbitte nach: „Miss Rosenthal, Sie waren in den Jahren 2008-2012 im Auftrag eines deutschen Medienunternehmens mehrmals im Irak tätig und sowohl in der Hauptstadt als auch in verschiedenen Provinzen unterwegs. Sie haben von dort als Korrespondentin berichtet. Sind diese Angaben soweit korrekt?“
„Korrekt. Es ist mein Beruf.“
„Was sagt Ihnen der Name Linda Farraday?“ Der Name ließ Rabeas Puls rasen. Sie hatte Linda 2008 bei einem Boot-Camp-Training kennengelernt, das alle Journalisten, die sich im Irak für das Programm ´embedded journalist` beworben hatten, absolvieren mussten. Das sagte sie dem Blonden jetzt.
Er nickte und fuhr fort: „Bei Ihrem letzten Aufenthalt im Irak 2012 haben Sie die Akkreditierungskarte der amerikanischen Journalistin Linda Farraday an sich gebracht und sich für vier Wochen als sogenannter ´embedded journalist` unter dem Namen besagter Linda Farraday in eine amerikanische Division eingeschlichen. Des Weiteren haben Sie von den Soldaten wie auch bei mehreren erfolgten Einsätzen nicht autorisierte Aufnahmen gemacht und diese anschließend außer Landes geschmuggelt. Ist das weiterhin korrekt?“
Schon bei seinen ersten Worten hatte Rabea gedacht: Verdammt, die wissen Bescheid! Sie hatte Linda
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