Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
kann.“ Rabea überlegte, wie viel sie preisgeben konnte, ohne für verrückt erklärt zu werden. „Ich bin Journalistin und habe etwas Wichtiges herausgefunden. Die Männer, die mich entführt haben, sind mächtig und haben Freunde bei der Polizei. Darum bin ich hier. Ich möchte ihrer Zeitung meine Geschichte erzählen.“ Rabea wurde langsam ungeduldig. Sie stand in der gläsernen Lobby wie auf einem Präsentierteller. Bis zum Halston Hotel waren es nur drei Straßen. Sicher suchten die Männer sie bereits.
„Wer ist entführt worden?“ Eine ältere Dame war auf ihrem Weg zum Aufzug stehengeblieben und gesellte sich nun zu ihnen. Sie musterte Rabea eindringlich über ihren Brillenrand hinweg. „Kenne ich Sie?“
„Dr. Grant, Madam. Sie müssen sich nicht darum kümmern. Ich werde die Frau bitten zu gehen“, meinte der Wachmann wichtig.
Noch immer sah Dr. Grant Rabea an.
„Ich bin eine Journalistin aus Deutschland“, beeilte sie sich zu sagen. „Man hat mich …“
„Moment“, wurde sie von ihr unterbrochen. „Jetzt weiß ich es wieder. Natürlich kenne ich Sie. Ich vergesse nie ein Gesicht. Sie sind diese deutsche Journalistin, die im Irak verhaftet wurde. Dürfte so zwei Jahre her sein. Ich habe die Aufnahmen gesehen. Interessant. Was machen Sie hier in diesem Aufzug?“ „Ich sagte doch, dass ich …“
„Kommen Sie mit!“, sagte die Dame energisch und steuerte auf den Aufzug zu.
Oben angekommen marschierte sie zielstrebig in ihr Büro, wehrte ihre Sekretärin mit einem: „Jetzt nicht, Marge“, ergänzt von einem: „Keine Anrufe durchstellen und zwei Tee, bitte“, ab. Ohne Umstände bugsierte sie Rabea in ihr Büro. „Hier, setzen Sie sich, Miss Rosenthal. Das war doch Ihr Name, oder?“ Sie selbst hatte hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen, ihr Kinn in die Hände gestützt.
Marge, die Sekretärin, stieß die Tür mit ihrem imposanten Hinterteil auf und balancierte auf einem Tablett eine geblümte Teekanne mit passenden Untertassen. Neugierig sah sie Rabea an. Ein strenger Blick ihrer Chefin scheuchte sie sofort wieder hinaus.
„Dann legen Sie mal los. Was ist das für eine Entführungsgeschichte?“
Und Rabea legte los.
Am Ende ihres Berichts saß Dr. Grant noch genauso da wie vorher, das Kinn in die Hände gestützt, einzig ihre Augen hatten sich etwas verengt. „Ich fasse zusammen: Sie haben Ihren Tod vorgetäuscht, sich zwei Jahre lang versteckt gehalten und wurden gestern aus Marokko von amerikanischen CIA- Agenten nach London entführt, mit Hilfe unseres britischen MI6, die Sie wiederum an zwei Agenten der militärischen Defence Intelligence Agency übergeben haben. Verfolgt werden Sie deshalb, weil Sie etwas entdeckt haben, von dem Sie mir weder sagen können, wo Sie es entdeckt haben, noch was es genau ist. Das klingt ebenso abenteuerlich wie dürftig, finden Sie nicht? Ohne Beweise kann ich hier keine Story stricken. Als Journalistin sollte Ihnen das bewusst sein. Da brauche ich schon ein bisschen mehr.
Mal sehen … Sie waren mehrmals im Irak. Dann wurden Sie in Bagdad während einer Aufsehen erregenden Reportage verhaftet und verschwanden für einige Zeit von der Bildfläche. Irgendwann hörte ich dann von einem Kollegen, Sie wären in Rom einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Und jetzt sitzen Sie quicklebendig vor mir, angeblich verfolgt von gleich mehreren Geheimdiensten. Wenn es stimmt, was Sie behaupten und sich der Ami tatsächlich für Sie interessiert, würde ich sagen, Sie haben etwas im Irak entdeckt, dass den Amis schadet. Was ist es? Geht es um amerikanische Kriegsverbrechen, Folterungen?
Damit eines klar ist. Über Folterungen berichte ich nicht. Zu heiß. Da ist Mord und Totschlag vorprogrammiert, da könnte ich gleich die Dänen bitten, ihre Propheten-Karikaturen neu aufzulegen. Die machen da unten keinen Unterschied zwischen amerikanischen und britischen Soldaten. Und ich riskiere ganz sicher nicht das Leben britischer Soldaten.“
Rabea nickte. Sie hatte eine Fotografie hinter Dr. Grant im Regal entdeckt. „Ihr Sohn?“ Rabea zeigte mit dem Kopf darauf. Ein junger britischer Soldat war darauf abgebildet. Dr. Grant drehte sich nicht um. „Richtig, zurzeit in Afghanistan stationiert. Und, was machen wir beiden Hübschen jetzt?“
„Gewähren Sie mir hier beim Chronicle Asyl?“, fragte Rabea zurück.
Dr. Grant sah sie forschend an. Dann drückte sie einen Knopf auf ihrem Telefon: „Marge, schick mir Buster und Andy
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