Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
unverzüglich in Marsch gesetzt werden, wenn sie noch helfen sollen.«
SEIDE UND SPITZEN
»Autsch!« Juztina blickte zu ihrem Bein hinab. Ihre Freundin hatte sie jetzt schon zum dritten Mal gestochen. »Wenn ein Blutfleck in der Seide ist, dann reiße ich dir den Kopf ab!«
Belinda blickte auf. »Dann zapple nicht so! Noch ein Wort, und du kannst die Naht selbst abstecken!«
Juztina schluckte die Antwort herunter, die ihr auf der Zunge lag. Sie sollte Belinda lieber dankbar sein. Das war schon die dritte Nacht, die ihre Freundin sich mit ihr um die Ohren schlug. Wenn sie sich früher entschieden hätte … Aber alles war so plötzlich gekommen. So unerwartet. Selbst jetzt hatte sie noch Zweifel. War es eine kluge Entscheidung ?
»Los, ausziehen. Und pass mir bloß auf, dass die Nadeln nicht herausfallen.«
Juztina fügte sich. Verzweifelt blickte sie aus dem Fenster der wunderschönen Turmkammer, die sie seit fünf Tagen bewohnte. Am Horizont zeigte sich schon ein erster Silberstreif.
Der Himmel war wunderbar klar. Es würde ein sonniger Herbsttag werden. Wenn sie nur etwas mehr Zeit hätten!
Belinda half ihr, das Kleid über die Schultern zu ziehen. Leise klingelnd fielen zwei Nadeln zu Boden.
»Der Rest wird reichen«, beruhigte ihre Freundin sie. »Du solltest dich am besten hinsetzen und etwas trinken.«
»Ich kann doch nicht betrunken zu meiner eigenen Hochzeit gehen!«
»Ich sag ja nicht, dass du gleich den ganzen Krug leer trinken sollst. Los, setz dich endlich! Das ist die letzte Naht. Wir werden es schaffen. Und du wirst die hübscheste Bohnenstange sein, die jemals ein Brautkleid getragen hat.«
Juztina sah an sich herab. Zweifelnd musterte sie ihre viel zu kleinen Brüste. Belinda war weit üppiger gebaut. Sie hatte etliche Affären mit Novizen gehabt. Ihr fiel es leicht, die Blicke von Männern einzufangen.
»Du hast ihm einen Liebestrank eingeflößt, nicht wahr?« Freundlich zwinkernd blickte die Magd zu ihr auf. »Das tun sie sonst nie. Sie sind gut darin, schöne Worte zu machen und Herzen zu brechen.« Belinda seufzte. »Und in ein, zwei anderen Dingen sind sie auch sehr gut, wenn man sich die Richtigen aussucht. Sie versprechen uns den Himmel auf Erden … Und dann bekommen sie ihre goldenen Sporen und werden sonst wohin verschickt. Manchmal kriegt man ein Briefchen … Ich hasse das! Sie machen sich keine Gedanken darüber, wie es ist, sich solche Briefe vorlesen zu lassen. Du musst mir auch was von deinem heidnischen Zaubertrank geben, meine wunderschöne Hexenfreundin. Komm, sag mir, zu welcher Göttin muss ich dafür beten?« Sie lachte. »Ihr glaubt doch, sie leben in Bäumen und Büschen. Muss ich mich vor einem Rosenbusch niederknien, mir mit einem Dorn in den Finger stechen und ein Blutopfer bringen?
Komm, sag es mir! Ich bin zu jeder Schandtat bereit, wenn mir dafür auch ein Ritter so wunderbare Seide schenkt und um meine Hand anhält!«
»Spotte nicht über die Götter des Waldes!« Juztina trat vom Fenster zurück. Fröstelnd strich sie sich über die Arme. Es schien plötzlich kälter zu sein in der Turmkammer. Sie hatte ihren alten Göttern abgeschworen, vor vielen Jahren schon … Aber sie würde nicht leichtfertig über sie reden. Sie gehörte jetzt Tjured. Aber sie wusste ganz genau, dass die Götter des Waldes mehr waren als nur Weibergeschwätz. Als Kind hatte sie ihre Macht gespürt, im Heiligen Hain nahe dem Dorf. Sie hatte ihre Stimmen in den Bäumen gehört … Es war nicht gut, ihren Zorn durch unbedachte Reden heraufzubeschwören. Dies sollte der wunderbarste Tag ihres Lebens werden. Aber sie musste vorsichtig sein. Sie durfte es nicht im letzten Augenblick verderben.
»Du darfst so nicht von meinen …« Juztina hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Es waren nicht mehr ihre Götter! »Du darfst sie nicht verspotten, hörst du!«
»Aber wenn ich doch …«
»Nein, schweig!«
Belinda blickte nicht einmal von ihrer Näharbeit auf. Sie seufzte leise. »Manchmal ist es wirklich schwer, mit dir ein wenig Spaß zu haben. Dann erzähl mir wenigstens, wie dein Ritter dir den Hof gemacht hat. Vielleicht lerne ich ja noch etwas.«
Juztina errötete. »Nein, so war das nicht. Da gibt es nichts zu lernen. Er ist zu mir gekommen. Ich war völlig überrascht. «
»Aber du kennst ihn doch schon viele Jahre. Warum jetzt? Du musst doch irgendetwas getan haben. Und wenn ich daran denke, wie du früher von ihm gesprochen hast …«
»Er hat sich verändert.
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