Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
Journal medizinische Aufsätze über die Schönheit schreiben dürfen als ein Arzt aus dem Kreise von Wieland, Herder und Goethe? Oh, Sie wissen ja gar nicht, wie ich Sie verehre! Kein anderer versteht es wie Sie, gleichzeitig über die neuesten Erkenntnisse der Schönheitsmittel zu |246| referieren und die Leserinnen mit vollendetem Charme in den Bann zu ziehen.«
»Ach, ich bitte Sie.« Hufeland lächelte und rieb sich verlegen am Ohr, während Juliane ergänzte:
»Nun, er hat sich vornehmlich um die medizinische Aufklärung verdient gemacht, vor allem in der Bekämpfung der Pocken. Zudem haben wir es ihm zu verdanken, dass in Weimar ein Leichenschauhaus eröffnet wurde, das erste dieser Art im ganzen Land. Eine Bestattung von Scheintoten ist seitdem nahezu ausgeschlossen.« Sie strich sich eine schwarze Locke aus dem Gesicht und warf ihrem Mann einen vielsagenden Blick zu, in dem eine Mischung aus Stolz und Amüsement lag. »Mein Mann ist als Professor der Medizin nach Jena bestellt worden«, fuhr sie fort, »um sich dort um die praktische Ausbildung der Studenten zu kümmern.«
»Als Professor?« Die Dame schlug die Hände vor den Mund. »Als Professor neben so ehrenwerten Namen wie Loder, Stark und Griesbach?«
»Und Schiller«, ergänzte Juliane lächelnd.
Hufeland sank tiefer in seinen Sitz. Noch immer wollte er sich nicht an den schnellen Ruhm gewöhnen, der ihn überrascht hatte, seit er auf Goethes Freitagsgesellschaft vor dem Herzog aus seiner Makrobiotik, der Lehre zur Verlängerung des Lebens, vortragen durfte. Er bedeutete seiner Tochter Wilhelmine, die sich intensiv mit dem Inhalt ihrer Nase beschäftigte, mit strenger Miene, dies zu unterlassen, während seine Frau fortfuhr, ihrer Reisebegleitung seine Verdienste um den Fortschritt der Medizin zu nennen und dabei besonders die Einführung einer neuartigen Immunisierungsmethode gegen Pocken hervorhob.
Sie erreichten das Haus, in dem sie fortan wohnen sollten, durch einen bewachsenen Torbogen und über einen steinigen Vorplatz. Es bestand aus einem hohen Torhaus und einem zweigeschossigen Ost- und Westflügel, bedeckt mit rotbraunen Ziegeln, die in der Sonne schimmerten. Dazu gehörte auch ein Garten, der direkt ans Griesbachsche Anwesen grenzte.
|247| Professor Loder kam ihnen entgegengelaufen und breitete zum Empfang die Arme aus.
»Hier lässt es sich aushalten!«, rief er und lachte angesichts Hufelands Verwunderung.
»Sie haben mir nicht gesagt, dass es so groß ist«, staunte dieser. »Werden wir das auch bezahlen können?«
Juliane folgte fröhlich juchzend den Gepäckträgern ins Haus, während die Kinder um Erlaubnis baten, sich im Garten umzusehen, was Hufeland ihnen gewährte.
»Sicher werden Sie das können«, sagte Loder. »Wenn Ihre Vorlesungen nur halb so gut gefüllt sind, wie es bereits jetzt den Anschein hat, werden Sie ohne Sorge leben können. Zudem wohnen in Torhaus und Westflügel Studenten. Allein mit diesen Einnahmen werden Sie die Miete tragen können.« Er lächelte und klopfte Hufeland auf die Schulter. »Jena hat sich verändert, mein Freund. Seit wir im vergangenen Jahr das Ordenswesen unter Strafe gestellt haben, sind Moral, Strebsamkeit und Anstand die Regel. Die Zahl der Studenten hat zugenommen, auch seitdem die Kantschen Philosophien bei uns Einzug gehalten haben. Sie müssen unbedingt Christian Gottfried Schütz kennenlernen, er ist Professor der Philosophie und Herausgeber der
Allgemeinen Literatur-Zeitung
. In seinem Büro steht eine beeindruckende Menge erlesener Bücher, und die klügsten Köpfe Deutschlands besprechen für seine Zeitung Neuerscheinungen auf den Gebieten der Wissenschaft.«
Hufeland nickte, von Vorfreude erfüllt. »Ich möchte mich bei Ihnen bedanken«, sagte er. »Ohne Ihren Zuspruch hätte ich gezweifelt, ob ich noch einmal in diese Stadt kommen sollte, nachdem …«
Im oberen Stockwerk des Hauses wurde ein Fenster geöffnet. Juliane steckte den Kopf heraus und winkte ihnen übermütig zu.
Loder lachte und grüßte zurück. »Kommen Sie, Christoph, ich möchte Ihnen gern eine Person vorstellen, die Sie gewiss noch kennen werden.«
Der Eingangsbereich war groß, der Boden in einem Schachbrettmuster aus schwarzen und weißen Fliesen gelegt. Ihre Schritte hallten |248| als Echo durch den hohen Raum bis hinauf zum Lüster aus schwerem Kristall.
Hufeland folgte Loder die geschwungene breite Treppe hinauf zu einem großzügigen Zimmer mit zwei kleinen Betten, in dem sich Juliane mit
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