Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
Pfefferkörner daran, vom Kirschlikör durchtränkt zu werden.
Der größere der beiden Männer grunzte zufrieden und gab ihr einen Stoß, so dass sie über den Boden rutschte, in eine glitschige Masse, vermengt mit scharfen Scherben. Helene schrie auf.
Der Mann lachte, als sie eine Scherbe aus ihrem Unterarm zog, dann griff er in eine Schale mit Konfekt, die auf der Tischplatte stand, und schnüffelte daran. »Was ist das?«, fragte er.
»Marzipankonfekt.«
»Ich warne Sie. Wenn es irgendeine bittere Medizin ist, werde ich Sie einkerkern lassen.«
Er roch noch einmal am zarten Schmelz und ließ es schließlich langsam in seinem Mund verschwinden. Während er kaute, begann sein Gesicht, sich zu verändern, alle Härte darin schien auf einmal zu verschwinden. Er schmatzte, fuhr mit der Zunge über die Lippen und steckte sich hastig ein weiteres Stück Konfekt in den Mund. Nun nahm auch der andere ein Stück.
Helene stand auf und schloss den Umhang, der bei dem Sturz verrutscht war und das Nachthemd entblößte. »Dieses Konfekt ist für den Hofbäcker Grellmann bestimmt, der sich gewiss darüber wundern wird, dass ich mit meiner Lieferung nicht nachkomme, weil sich zwei Männer der Jenaer Stadtkommandantur befleißigten, die Zutaten zu zerstören und das bereits hergestellte Konfekt zu verschlingen.« Ihre Stimme klang fest, doch ihr Körper zitterte.
Die beiden Männer hielten inne, warfen sich einen schadenfrohen Blick zu, steckten dann auch das restliche Konfekt ein und verschwanden mit einer knappen Verbeugung, ohne ein weiteres Wort.
Erschöpft schloss Helene die Tür, die sie mit einem Stuhl blockierte. Unwillkürlich musste sie an Professor Weber denken. Was sollte ein Stuhl schon ausrichten können? Sie setzte sich darauf, |242| als könne sie so verhindern, dass weitere Eindringlinge kämen, und versuchte, nicht an den unglücklichen Tag vor zwölf Jahren zu denken, an das blasse Gesicht und an das Grauen, das sie überfallen hatte, als sie die blutige Spur sah, die jemand mit seinem Finger auf das Laken gezeichnet hatte.
Sie musste eingeschlafen sein. Etwas ruckelte an ihrem Rücken. Helene sprang auf, als der Stuhl beiseiteflog und Vogt eintrat.
»Was ist passiert?«, fragte er, das zerstörte Türschloss betrachtend. Dann ging er durch die Wohnung, seinen Degen hoch erhoben und laut schimpfend, als er die Verwüstung in der Küche sah.
Helene folgte ihm. »Sie sind weg.«
Noch immer drang Lärm von den Straßen, ein wenig verhaltener, jedoch immer wieder aufbrausend.
»Johann, sie haben dich gesucht!« Ihre Stimme bebte. »Was geht hier vor?«
»Sie glauben, sie können uns vernichten, indem sie alle verhaften, derer sie habhaft werden können.« Vogt verzog den Mund, dann lachte er heiser. »Es wird ihnen nicht gelingen. Wir sind seit Jahren dabei, unsere Mitglieder über das ganze Land zu zerstreuen.«
»Was sagt Professor Gruner dazu?«
»Gruner?« Vogt sah sie an, als hätte sie etwas unglaublich Dummes gesagt. »Gruner war im vergangenen Semester Prorektor. Er und Professor Loder haben die ganze Sache gegen uns überhaupt erst angezettelt. Er selbst hat dem Geheimen Consilium die Namen aller Leiter der Orden und Verbindungen überreicht. Nur unser Superior konnte den Spitzeln entgehen.« Er wies nach draußen. »Siehst du denn nicht, was hier geschieht? Das dreiste Vorgehen der Professoren hat die universitäre Autonomie zerstört. Die Unruhen sind ausgebrochen, seit Weimar das Verbot der geheimen Orden aussprach. Und nun beginnt auch noch der Staat, in die akademische Selbstverwaltung einzugreifen!«
Sie fasste ihn am Arm. »Was hat das alles zu bedeuten? Gewiss, eure Verbindung arbeitet im Geheimen, aber sie dient doch der Forschung!«
|243| Vogt stieß ihre Hand ab, sah sie an, die Hände in die Hüften gestützt. Dann schüttelte er den Kopf. »Es hat keinen Sinn, dir jetzt alles zu erzählen. Und so, wie die Lage aussieht, ist es auch besser, du weißt nichts von diesen Dingen.«
»So wie immer?« Helene war aufgebracht. »Willst du mich wieder im Unklaren lassen? Sie brechen die Wohnung auf, zerstören unser Eigentum, bedrohen unsere Existenz, und du willst mir nicht erklären, was du treibst? Nein, Johann. Ich will wissen, was hier vor sich geht!«
Vogt ignorierte ihren Zorn. Stattdessen begann er, Dinge in seinen Koffer zu werfen, riss Schubladen auf und Schränke, während sie mit stetig wachsendem Groll zusah.
»Johann, wenn du jetzt gehst, ohne mich aufzuklären,
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