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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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ein wenig gelichtet, und er war schmaler geworden.
    »Ich sehe, du hast mich vermisst«, sagte er und zeigte dabei auf das Messer, das sie fest umschlossen hielt.
    »Mir ist nicht nach Scherzen zumute, Johann!« Helene ließ den Arm sinken, ohne den Griff um das Messer zu lockern. »Was machst du hier?«
    »Ich bin dein Ehemann. Schon vergessen?« Vogt erhob sich und kam ihr langsam entgegen. »Was ist los mit dir? Habe ich je etwas getan, das diese Angst rechtfertigt?«
    Helene wich zurück. Schritt um Schritt, bis sie die Wand an ihrem Rücken spürte. Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte, ihre Gefühle spielten verrückt. Als Johann sie verließ, hatte sie noch geglaubt, ihn zu lieben, und nun, da er wieder zurück war, sah sie in ihm einen Mörder.
    Rasch hatte er sie erreicht, bog ihren Arm nach unten und drehte das Handgelenk, bis das Messer zu Boden fiel. Dann nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände.
    »Helene«, flüsterte er. »Ich habe dich so vermisst.«
    Er presste einen Kuss auf ihre verschlossenen Lippen. Helene wagte nicht zu atmen, hielt ganz still, in der Hoffnung, dass er bald von ihr abließe. Doch seine Küsse gingen tiefer, bedeckten Hals und Dekolleté.
    »Johann, nicht!«
    Er blickte auf, und sie sah, dass seine Augen wie im Wahn glänzten. |334| Seine Hände glitten über ihre Schultern, griffen unter dem knisternden Musselin nach ihren Brüsten und wanderten über den Stoff tiefer bis zum Rock.
    Sie stieß ihn von sich und hob das Messer vom Boden. »Aufhören!«, rief sie. Atemlos und zu allem entschlossen.
    Er war überrascht, wich zurück mit erhobenen Brauen. »Ich hatte gedacht, du würdest dich über meine Rückkehr freuen«, sagte er bitter, und seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Nun, man kann nichts erzwingen. Aber du solltest wissen, dass es meine Wohnung ist, in der du in meiner Abwesenheit ein unbeschwertes Leben führen konntest, und da ist es wohl nichts Ungewöhnliches, wenn man bei seiner Rückkehr hofft, mit Liebe und Dankbarkeit empfangen zu werden.«
    »Du bist gegangen, ohne mir zu sagen, wohin. Du hast mich zurückgelassen ohne ein Wort der Erklärung, nachdem hier zwei Polizisten eingedrungen waren und Teile unserer Wohnung zerstört hatten. Ich habe seit fast einem Jahr nichts von dir gehört, und nun stehst du vor mir und erwartest einen freudigen Empfang?«
    »Das verstehst du nicht. Du kannst es gar nicht verstehen.«
    »Natürlich nicht. Woher auch? Johann, du hättest mir schreiben können! Es mir erklären.« Sie sah ihn traurig an. »Ich weiß nicht mehr, wer du eigentlich bist.«
    »Mein Gott, Helene. Es sind Dinge passiert, die ich nicht mit dir teilen kann. Aber ich bin derselbe Mann, den du damals geheiratet hast. Und du kannst dir sicher sein, dass meine Flucht durch nichts bedingt war, vor dem du dich fürchten müsstest. Ich bin rehabilitiert, es gibt niemanden mehr, der das Recht hat, mich aus der Stadt zu jagen. Bitte, Helene, lass das Messer sinken. Ich bin müde und hungrig.«
    Ein neuer Zug war in seinen Augen, Traurigkeit, vielleicht auch Resignation. Er trat auf sie zu, nahm ihre Hand und führte sie an seinen Mund. Dann setzte er sich wieder auf die Chaiselongue, starrte nach draußen, unbewegt, bis Helene ihn zum Essen rief.
     
    |335| Der Geruch des Bratens, den sie ihm bereitet hatte, hing noch in der Luft. Er hatte seinen Zweck erfüllt, nachdem sie das Fleisch mit ein paar Kräutern gewürzt hatte, die ihren Mann müde werden ließen. Als sie sich nun zu ihm drehte, sah sie ihn schlafend.
    Es hatte zu regnen begonnen. Von draußen erklangen laute Schritte, hallten durch die Gassen. Jemand lief über das Pflaster, dann erklang ein Lachen, die Schritte wurden leiser und entschwanden.
    Helene setzte sich auf und beobachtete, wie sich Johanns Brustkorb in der Dunkelheit hob und senkte. Sie hatte immer gewusst, dass er ihr nicht alles erzählte, aber niemals geglaubt, er würde sie vorsätzlich belügen. Und doch hatte sie in diesen Tagen erfahren müssen, dass er sie in ihrer Trauer betrogen hatte, als er sich dazu entschloss, ihr zu verschweigen, dass er und Christoph den toten Körper eines anderen in Alberts Grab gefunden hatten. Beim Gedanken an das, was er ihrem Bruder und den vielen jungen Mädchen angetan haben mochte, wurde ihr übel. Wie hatte sie sich nur derart in ihm täuschen können?
    Sie lauschte dem beständigen Prasseln des Regens, es vermochte das Klopfen ihres Herzens nicht zu übertönen. Sie hatte die Rolle

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