Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
ein Tisch, Sie können es gern unter Aufsicht tun.«
|367| Hahnemann überlegte. Es waren so viele Bücher, die Kircher verfasst hatte, über Medizin und Mathematik, Ägyptologie und Astronomie, wie sollte er nur das finden, in dem der bezeichnete Satz stand, den Albert beständig von sich gab?
»Geben Sie mir …«, er zögerte, »das
Magnes sive de arte magnetica
und das
Ars magna sciendi
.«
Der Mann nickte. »Sie können froh sein, dass unsere Bibliothek so gut sortiert ist.« Er erzählte etwas über die vielen Schenkungen und Erbschaften, die diesen Bestand erst möglich gemacht hätten, aber Hahnemann hörte nicht zu. Er beobachtete, wie der Bibliothekar die angegebenen Bücher zielsicher zwischen den teils verblichenen Einbänden hervorzog. Dann geleitete er ihn zu dem Tisch, an dem er sie lesen durfte.
Der herangezogene Stuhl knirschte, doch Hahnemann war bereits in das erste Buch vertieft, das Aufschluss über die Naturmagie gab, die keinerlei dämonischen Ursprung hatte, wie man gemeinhin glaubte, sondern auf magnetischen Kräften beruhe, die jedermann für sich nutzen könne, sei es bei der Heilung von Krankheiten oder zum Bewegen von Gegenständen aus der Ferne.
Hahnemann erinnerte sich daran, dieses Buch zur Erklärung des tierischen Magnetismus herangezogen zu haben, und schlug die Seiten um, bis er auf eine Stelle traf, die von der Gravitationskraft der Liebe sprach, bei der Liebende wie von einem geheimen Knoten über Zeit und Raum miteinander verbunden seien. Er schmunzelte, dachte an das unsichtbare Band, das er am Morgen zwischen Hufeland und Helene bemerkt hatte, und schloss das Buch, um sich dem nächsten zu widmen.
Auch hier gab es höchst interessante Dinge zu lesen, doch die Zeit drängte, und als er endlich den Text fand, den Albert beständig murmelte, war er kaum schlauer als zuvor. Er las die Stelle laut, erhoffte sich Aufschluss vom Klang der Worte:
»Est enim ars analogica mirum quoddam compendium, quo veluti ad Ariadnae filum ductus Philosophus, sine periculo in abdita Naturae penetralia admittitur; per hanc tandem discit, ut qualis in Terreno globo, qualis in microcosmo homine Mundi filio …«
|368| Aber wie er es auch drehte und wendete, die Sätze besagten nichts weiter, als dass die hermetische Analogie von Kosmos und Erde den Philosophen wie ein Ariadnefaden durch das verborgene Dickicht der Natur leitete. Was hatte Albert damit sagen wollen?
Als er aufstand und dem Bibliothekar die Bücher aushändigte, war er davon überzeugt, sich geirrt zu haben. Albert hatte den Text gewiss nur in zufälligem Irrsinn aufgesagt, nicht, um ihnen konkrete Hinweise zu geben.
Er hatte sich bereits verabschiedet, als ihm noch etwas einfiel, er wandte sich noch einmal um. »Kennen Sie weitere Bücher über den Faden der Ariadne?«
»Sie meinen die Sagen der griechischen Mythologie?«
»Vielleicht.«
»Wenn Sie mir sagen, wonach Sie suchen, kann ich Ihnen möglicherweise weiterhelfen.«
Hahnemann zögerte einen Augenblick. »Ich weiß es selbst nicht. Aber wenn ich mich nicht irre, beschreibt dieser Ariadnefaden einen Text hermetischer Tradition.«
Es war spät geworden, als er sich auf den Weg zurück zu Hufelands Haus machte. Auf der Straße blickte er sich mehrfach um.
Der Bibliothekar der Universität hatte ihm auf seine Frage hin von weiteren Schriften erzählt, die hermetisches Gedankengut beinhalteten. Er werde sie in der Büttnerschen Bibliothek finden, die in der unteren Etage des Schlosses untergebracht, doch nicht öffentlich zugängig sei. Der Besitzer dieser Sammlung sei ein verschrobener Mann, an allen Arten von Wissenschaften interessiert, nur weilte er zurzeit nicht in der Stadt. Er solle sich stattdessen an Dürrbaum wenden, den Aufseher über das Naturalienkabinett, das sich im zweiten Stock befand. Dieser habe die Schlüssel und werde ihn sicher einlassen.
Das war nur wenige Stunden her. Nun aber, als er die Gassen entlanghastete, sein Notizbuch fest an sich gepresst, wusste er, dass ihm ein Mysterium in die Hände gefallen war, das es nun zu entschlüsseln galt. Wenn er seinem Instinkt trauen konnte, hatte er in |369| den vergilbten Blättern, die ihm beinahe in den Händen zerfallen waren, etwas gelesen, das den Weg zu jener allheilenden Medizin bereitete, für die manch einer zu töten bereit war.
Nachdem Hahnemann zurückgekehrt war, hatte er Albert einige Gran des zerriebenen Pilzes gegeben und sich sogleich in Christophs Arbeitszimmer
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