Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
wenn es unsere Liebe in Gefahr bringt, werde ich augenblicklich damit aufhören. Ich verspreche es, Christoph, aber bitte, verlass mich nicht. Nicht mich und unsere Kinder!« Tränen perlten ihre blassen Wangen hinab.
Ihre Verzweiflung quälte ihn. Hufeland konnte sich nicht dagegen wehren, dass es ihn berührte. »Ich werde mich um dich kümmern. Du kannst mit den Kindern weiter im Haus meiner Familie in Weimar wohnen, dort bekommt ihr alles, was ihr braucht.«
»Und was ist mit dem neuen Leben? Soll es seinen Vater niemals zu Gesicht bekommen?«
Er hoffte, sich verhört zu haben oder irgendeinem furchtbaren Irrtum zu unterliegen, doch Juliane bestätigte seine Ahnung mit einem heftigen Nicken. »Ja, du hast es richtig verstanden. Wir erwarten ein Kind.«
Die Aufregung war im ganzen Haus zu spüren. Mägde hasteten umher, wussten nicht, wohin mit den Koffern und Truhen, die eine rief, sie sollten zurück in die Kutsche, während eine andere sie schon wieder hinauszerrte.
|386| Helene stand am Fenster ihres Zimmers, blickte auf das Hin und Her und fragte sich, wo nur Caspar war, nach dem alle riefen. Doch er blieb wie vom Erdboden verschluckt.
Nun lief auch Christoph auf den Hof und befahl mit harscher Stimme, die Sachen vorerst auszuladen. Er hatte sich verändert, seit der Ankunft seiner Frau. Er war in sich gekehrt, hatte sich über Stunden in sein Arbeitszimmer zurückgezogen. Nur einmal hatte er nach ihr gesehen und sie stumm an sich gedrückt, sein Gesicht in ihrem Haar verborgen, um dann wieder zu gehen, wortlos.
Sie schloss das Fenster. Was würde nun aus ihrer Liebe werden? Helene verlor sich in unsinnigen Spekulationen, versuchte, sich zu beruhigen, indem sie sich ausmalte, wie schön es wohl wäre, Christoph Königsberg zu zeigen. Den Hafen mit den vielen Schiffen, den Schlossteich, die dortige Universität.
Indes, sie wusste es besser, spürte sein Ringen. Helene schluckte ihre Tränen herunter, so gut es ging, doch es war die betäubende Untätigkeit, zu der sie verdammt war, die sie immer wieder fließen ließen.
Zur Mittagszeit verließ Helene das Zimmer. Sie warf einen Blick in Alberts Kammer, dort sah sie, wie ihr Bruder leise flüsternd über ein Blatt Papier gebeugt saß, das Hahnemann ihm zum Lesen gegeben haben mochte. Albert hob den Kopf und lächelte scheu, als er sie sah, und es trieb ihr wieder die Tränen in die Augen. Sie umarmte den Bruder, hielt ihn ganz fest, lief hinaus auf den halbdunklen Flur, um ihren Kummer vor ihm zu verbergen.
Das Haus war still, bis auf das Klappern von Löffeln und Töpfen, das aus der Küche drang, wo man das Mittagessen vorbereitete. Es roch nach Fischsuppe, und Helene verzog den Mund. Auch wenn sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte, verspürte sie keinen Hunger.
Sie brauche ein wenig frische Luft, hatte sie im Hinauslaufen zu Hahnemann gesagt, und der hatte voller Verständnis genickt, ihr aber eingeschärft, das Grundstück nicht zu verlassen.
Nein, dachte sie jetzt, als sie in den menschenleeren Garten trat, warum auch, wo sollte sie denn hingehen wollen? Der Duft des |387| verblühenden Flieders wehte süß herüber, der Wind strich ihr sanft über das Gesicht, als wolle er ihr gut zureden, nicht zu verzweifeln, alles werde gut.
War es so? Helene setzte sich auf die Gartenbank und sah weißen Schmetterlingen zu, die durch die Luft tanzten und hinter den Rosen verschwanden. Gestern noch hatte alles so leicht ausgesehen, doch nun schien die eben verheißungsvolle Zukunft schon wieder hoffnungslos.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch gedacht, es würde ihr nichts ausmachen, Juliane zu begegnen, doch sie musste einsehen, dass es so nicht war. Sie war die Mutter seiner Kinder, das wurde ihr umso deutlicher bewusst, als sie sah, wie Christoph litt.
»Frau Vogt?« Helene blickte aus ihren Gedanken auf und sah Caspar, den Knecht. Er sah furchtbar aus, war völlig aufgelöst, der ganze Körper zitterte.
»Wo bist du gewesen?«, fragte sie erschrocken. »Alles sucht nach dir.«
»Es ist ein furchtbares Unglück geschehen. Ihrem Mann geht es nicht gut. Kommen Sie rasch.«
»Johann?« Das Blut stieg ihr in den Kopf. »Was ist mit ihm?« Sie dachte an den furchtbaren Kampf, von dem Hahnemann ihr am Morgen erzählt hatte. Sie sollte besser hierbleiben.
»Es ist ihm etwas zugestoßen. Er ist ohne Bewusstsein.«
Helene sprang auf, überlegte kurz, im Haus Bescheid zu geben. Vielleicht war es besser, wenn ein Mann sie begleitete, doch
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