Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
Hölle«, zischte Vogt und hob das Messer zum Stoß. Im selben Moment drang Licht durch die plötzlich aufgestoßene Haustür auf den steinernen Platz.
»Aufhören«, ertönte eine scharfe Stimme, und Vogt zögerte kurz, bevor er das Messer nach unten stieß.
Mit einer raschen Bewegung rollte Hufeland sich zur Seite, der Stich traf ihn an der Schulter und bohrte sich bis auf den Knochen. Er schrie auf. Jemand stürmte über das Pflaster. Drei oder vier seiner Studenten rannten hinter Vogt her, der in einer Wolke aufwirbelnden Sands durch den Torbogen stob. Im Augenwinkel sah er Hahnemann im hellen Licht des Foyers, mit besorgter Miene lief er auf den Platz. »Sind Sie in Ordnung?«
Hufeland setzte sich auf, keuchend. Er nickte, wischte sich das Gesicht mit einem Tuch ab und betrachtete die Spur aus Staub und Blut.
»Das sieht schlimm aus«, sagte der Doktor und untersuchte die Schulter. »Wollte dieser Mann Sie umbringen?«
»Es sieht ganz so aus.«
»Wer zum Teufel war das?«
»Johann Vogt, ein alter Kommilitone von mir. Mitglied der Verbindung.« Er ergänzte zögernd. »Helenes Mann.«
»Dann hatte er wohl guten Grund, Sie umbringen zu wollen«, entgegnete Hahnemann stirnrunzelnd. »Habe ich recht?«
Hufeland fragte nicht, was er damit meinte, es erschloss sich auch so. Wenn es aber für jedermann so offensichtlich war, sollte er endlich handeln. Er griff nach Hahnemanns ausgestreckter Hand, ließ sich auf die Beine helfen und glättete seinen Anzug. Der ganze Körper schmerzte.
Inzwischen waren auch die Studenten zurückgekehrt. Sie hatten Vogt bis zum verschlossenen Stadttor verfolgt, dann war er in eine der Seitengassen entschwunden und von der Dunkelheit der Hinterhöfe verschluckt worden. Nun wollten sie sich einen ordentlichen |379| Tropfen genehmigen, und Hufeland gab ihnen die Erlaubnis, sich gehörig im Weinkeller zu bedienen, nachdem er ihnen seine Dankbarkeit ausgesprochen hatte. Dann humpelte er, gestützt von Hahnemann, dem hellen Licht entgegen, durch das Portal ins Foyer.
Im Salon ließ er sich stöhnend auf das Sofa sinken. Hahnemann verband seine Schulter, wickelte ihn in eine Decke und flößte ihm ein furchtbares Gebräu ein, das nach einer Mischung aus Alkohol und bitteren Kräutern schmeckte. »Mir wäre der pure Weinbrand lieber«, sagte Hufeland und verzog den Mund.
»Das sollte kein Problem sein«, erwiderte der Doktor und schenkte ihm aus der Flasche nach. Dann legte er getränkte Tücher auf die blutende Stichwunde, die danach nur noch mehr brannte und heiß zu klopfen begann, und betupfte die schmerzenden Stellen. »Wir müssen den Vorfall melden. Und dann sollten wir unverzüglich die Reise nach Georgenthal vorbereiten. Aber so, dass niemand es bemerkt. Auch Caspar nicht. Wir dürfen keinem trauen.«
»Was ist mit Albert? Wird er eine solch lange Reise überstehen?«
»Haben Sie einen anderen Vorschlag?« Hahnemann zuckte die Schultern. »Ich habe bemerkt, dass das neue Mittel, das ich aus dem Fleisch des Agaricus Muscarius gewonnen habe, langsam Wirkung zeigt. Doch ich kann es nur behutsam anwenden, denn als ich ihm heute Abend eine weitere Dosis gab, reagierte er mit verstärkter Ruhelosigkeit. Wenn ich es aber zu sehr verdünne oder aussetze, bleibt es nahezu ohne Wirkung. Irgendetwas muss ich mit der Arznei anstellen, um ihre Heilkraft zu verstärken, ohne das Gift dabei zu vervielfachen.«
Hufeland fuhr ein furchtbarer Schmerz durch die Schulter, er biss sich auf die Lippen und schloss die Augen. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun«, sagte er, als er das Stechen besser ertrug.
»Ihnen bleibt gar keine andere Wahl, als mir zu vertrauen.«
Hufeland trank einen Schluck Weinbrand und lehnte sich zurück. »Ich glaube, ich werde Sie vermissen, lieber Samuel.«
»Mich vermissen? Dazu wird es nicht kommen. Sie begleiten uns.«
|380| »Unmöglich. Ich habe einen Vorlesungsplan, meine Studenten, die Universität, sie alle vertrauen auf meine Zuverlässigkeit.«
»Wollen Sie sich noch einmal in Gefahr bringen? Was nützt den Studenten ein toter Professor?«
Hufeland sah in das Licht der Öllampe, das einen kleinen Kegel um den Schreibtisch warf. »Es ist keine Lösung, davonzulaufen. Um Johann wird sich die Polizei kümmern müssen. Aber ich denke, es ist das Beste, wenn ich nach Weimar fahre und auch das Geheime Consilium in Kenntnis setze.« Er trank noch einen Schluck und spürte, wie sich die Wärme des Alkohols in seinem Körper verteilte. Und noch etwas gab es
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