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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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Ein und Alles war, oder deine Träume als Nachwuchssportler. All das hatte sich die Selvaggia von früher ausgedacht, vollkommen kaltblütig wie immer in solchen Situationen, sodass du dich fragtest, ob sie vielleicht nicht nur undurchschaubar, sondern auch unerbittlich berechnend war. Was tatsächlich der Fall war, konntest du nach all der Zeit immer noch nicht sagen. Und was sie zu dieser Forderung veranlasst hatte, war dir erst recht ein Rätsel.
    Â»Nur weil du nicht tanzen kannst, muss ich doch noch lange nicht auf meinen Wettkampf verzichten. Warum willst du mir meinen harmlosen Traum kaputt machen?« Ehrlich gesagt, gelang es dir nicht, eine andere Erklärung als Neid zu finden, weil sie hatte erleben müssen, wie ihr sportlicher Ehrgeiz in sich zusammengefallen war wie ein Kartenhaus, während deiner nach wie vor unangetastet war.
    Â»Wirst du nun hingehen oder nicht?«, fragte sie in einem Ton, in dem sowohl Zärtlichkeit als auch Brutalität mitschwangen.
    Diesmal warst du derjenige, der ihr die Antwort schuldig blieb. Sie hatte einfach nicht das Recht dazu, dir das Schwimmen zu nehmen – das Einzige, worauf sie keinen Einfluss hatte. Aber vielleicht war es genau das, was sie störte: dass sie davon ausgeschlossen war.
    Wie dem auch sei, ganz genau würdest du das sowieso nie erfahren. Du wusstest nur, dass du nicht auf diesen Wettkampf verzichten würdest, so leid es dir tat.
    Oh, und Selvaggia wusste das auch und hatte jetzt schon beschlossen, sich nicht für diese unfaire Forderung zu entschuldigen.

58
    Du würdest an deinem Wettkampf teilnehmen, ihn gewinnen und deiner Geliebten den Sieg widmen, wenn ihr das genügte, mehr aber nicht. Denn beim Thema Schwimmen würdest nie auch nur einen Millimeter nachgeben! Trotzdem warst du wütend, dass sie dich zum x-ten Mal erpresst hatte. Zumal sie ganz genau wusste, was sie dir da zumutete.
    All das ging dir wieder durch den Kopf, als du auf der alten Umkleidebank saßt und auf deinen Einsatz wartetest. Hinter der blau lackierten Tür befand sich das Hallenbad mit seinen dumpfen Echos, der feuchtwarmen Luft und dem stillen, klaren Wasser, in dem du dich so in deinem Element fühltest, deine antrainierten Reflexe abriefst und deinen sportlichen Ehrgeiz auslebtest.
    Hinter der blau lackierten Tür befand sich auch Selvaggia, die eine Entscheidung von dir erwartete: Egal ob du dich in letzter Sekunde ihrem unbegreiflichen Willen beugen oder mit aller Macht versuchen würdest, deinen Traum zu verwirklichen – deine Schwester wusste bestimmt längst, wie sie darauf reagieren würde.
    In der vergangenen Woche war euer Verhältnis immer angespannter geworden. Und obwohl du es geschafft hattest, so zu tun, als wenn nichts wäre – denn keiner von euch machte Anstalten nachzugeben –, wart ihr stillschweigend auf Distanz gegangen, um auf den Moment zu warten, in dem die Karten auf den Tisch gelegt würden. Eure Küsse hatten sich mehr oder weniger in Luft aufgelöst und eure Zärtlichkeiten nachgelassen. Sogar die Worte, die ihr wechseltet, wurden genauestens abgezählt und abgewogen, sodass ihnen jede Spontaneität abging.
    All das wurde noch deutlicher, als du dir die konkreten Auswirkungen eures Machtkampfes vor Augen führtest. Als ein subtiles, aber hartnäckiges Kräftemessen mittels Blicken ersetzte, was ihr einander vorläufig verweigertet: »Gib dich geschlagen«, sagten ihre Augen, woraufhin deine antworteten: »Nein, meine Schöne, diesmal bist du diejenige, die nachgeben muss!«
    Ihr wart zwei Maultiere auf einem Pfad: beide fest entschlossen, nicht auszuweichen. Natürlich glaubtest du nicht wirklich, dass sie aufhören würde, dich zu lieben, wenn du nicht auf den Wettkampf verzichtetest. Schließlich konnte sie ihre Gefühle für dich unmöglich so instrumentalisieren und von deiner Entscheidung abhängig machen – oder vielleicht doch?
    Jetzt warst du an der Reihe. Also folgtest du der Schar deiner Gegner bis hinter die blaue Barriere der Umkleiden. Ganz automatisch, ja fast ohne deine Umgebung überhaupt wahrzunehmen, streiftest du den Bademantel ab und ließt die Arme ein paarmal vor- und zurückkreisen. Du trugst deine schönste tiefblaue Wettkampfbadehose. Sie war nagelneu und rechts mit dem roten Schriftzug »Speedo« bedruckt. Du hattest sie dir extra zu diesem Wettkampf gegönnt, ein fast

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