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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Leute haben.
    »Wir sind auf der Suche nach einer alten Festung oder einem Kloster.«
    »Davon gibt es Dutzende, vielleicht sogar Hunderte oben im Gebirge. Können Sie den Ort beschreiben?«
    »Alles, was wir wissen, ist, daß die Mauern die Form eines Achtecks haben.«
    »Achteckig, sagen Sie?« Das Gesicht der Swanin hellte sich auf.
    »Möglich, daß ich diese Festung kenne.« Sie grinste breit. »Möglich, daß ich sie sogar sehr gut kenne.«
    »Und das bedeutet?«
    »Daß ich Sie dorthin führen kann.«
    Aura legte die Stirn in Falten. »Ein Privileg, das uns sicherlich eine Kleinigkeit kosten wird.«
    »In welcher Währung wollen Sie zahlen?«
    »Mark, Pfund, was immer Sie wünschen.«
    Marie lehnte sich zurück und verschränkte die Hände am Hinterkopf. »Hundert Mark am Tag. Dreihundert zusätzlich, wenn wir unser Ziel erreichen. Und noch einmal dreihundert, wenn wir heil zurück nach Suchumi kommen.«
    »Das ist Wucher«, sagte Christopher, aber er klang nicht wirklich empört.
    »Zehn pro Tag«, sagte Aura. »Und fünfzig am Ziel.«
    Die Swanin seufzte schwer, beugte sich vor und stützte beide Ellbogen auf die Tischkante. »Neunzig. Die zehn am Tag, die ich Ihnen erlasse, sind der Preis für eine Geschichte.«
    »Ich glaube nicht, daß –«
    Marie fuhr Aura über den Mund: »Sie wollen nach Swanetien, also sollten Sie die Geduld aufbringen, etwas über mein Volk zu erfahren. Eine Legende, vielleicht, oder ein Stück der Wahrheit, ganz wie man’s nimmt.« Sie winkte nach dem Wirt und bedeutete ihm mit Fingerzeichen, daß er ihnen drei Becher Wein bringen möge.
    »Zu einer Zeit, als die Swanen gegen die russischen Eroberer kämpften, lebten hoch oben im Gebirge zwei Ziegenhirten. Der eine hieß Babanykja, der andere Babasykja. Die beiden beschlossen, ihrem Land sei nur zu helfen, wenn es ihnen gelänge, den Zaren zu töten. Beide aber wußten, daß sie niemals lebend in den Palast des Herrschers gelangen konnten, und so kam es, daß sie einen tollkühnen Plan schmiedeten.
    Erst schnitt Babanykja sich ein Ohr ab, dann stach Babasykja sich mit demselben Messer ein Auge aus. Anschließend schlichen sie gemeinsam über die Grenze nach Rußland und trennten sich dort. Bald darauf begegnete Babanykja einem Geier, der fragte: ›Wer hat dir das angetan, Babanykja?‹ Der Mann antwortete: ›Ich selbst habe mir das Ohr abgeschnitten, und Babasykja stach sich ein Auge aus.‹
    Der Geier war verwirrt und begann vor Aufregung, all seine Federn auszurupfen. Wenig später traf er in der Luft einen Schwarm wilder Raben, und auch diese erkundigten sich, was geschehen sei. Der Geier sagte: ›Babanykja schnitt sich ein Ohr vom Kopf, Babasykja bohrte sich ein Messer ins Auge, und ich habe mein Gefieder zerrupft.‹
    Daraufhin stritten die Raben über den Sinn dieser Vorgänge, sie hackten und schlugen einander, bis nur noch einer am Leben war. Jener setzte sich auf eine Eiche. Und auch die Eiche fragte, was passiert sei. Der Rabe erwiderte traurig: ›Babanykja hat sich ein Ohr abgeschnitten, Babasykja hat sich ein Auge ausgestochen, der Geier hat sich die Federn gerupft, und wir Raben töteten einander.‹
    Die Eiche streckte vor Aufregung ihre Äste so hoch empor, daß sie mitten in ein Gewitter stießen. Sogleich wurde der Baum vom Blitz getroffen, und mit ihm brannte bald schon der ganze Wald. Ein Fuchs, der fliehen mußte, fragte verstört, was der Grund für dieses Unglück sei, und die brennende Eiche sagte: ›Babanykja schnitt sich ein Ohr ab, Babasykja blendete sich, der Geier rupfte sein Gefieder, die Raben brachten einander um, und unser Wald fing Feuer.‹
    Da riß sich der Fuchs vor Kummer den Schwanz aus. Bald darauf begegnete er in einem großen Garten der Zarentochter. Das Mädchen fragte, was dem Fuchs widerfahren sei, und er entgegnete: ›Babanykja hat sich ein Ohr abgeschnitten, Babasykja nahm sich das Augenlicht, der Geier hat all seine Federn verloren, die Raben massakrierten einander, der Wald steht in Flammen, und ich riß mir den Schwanz ab.‹
    Die Königstochter ließ vor Schreck ihre goldenen Krüge fallen, die am Boden in tausend Stücke brachen. Weinend lief sie zu ihrer Mutter. Der Zarin wurde ganz schrecklich zumute, als sie ihre Tochter so jämmerlich sah, und sie fragte zitternd, was ihr geschehen sei. Da erzählte die Prinzessin: ›Babanykja schnitt sich das Ohr ab, Babasykja hat sich geblendet, der Geier raubte sich selbst das Gefieder, die Raben vernichteten ihr ganzes Volk, der

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