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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Gang vor Morgantus’ Tür. Als sie Lysander entdecken, machen sie bereitwillig Platz. Das Raunen und Flüstern der erregten Ritter verstummt, als Lysander durch ihre Reihen eilt. Eine tiefe Unruhe erfüllt die steinernen Flure des Klosters.
    Die Alchimistenküche des Meisters ist verwüstet. Man hat Morgantus in seinem Bett gefunden. Ein Dolch steckt in seiner Brust. Noch hat niemand gewagt, ihn herauszuziehen; man fürchtet, der Ritter könne verbluten. Lysander drängt den Heilkundigen beiseite, der gerade dabei ist, Morgantus das Nachtgewand vom Leib zu reißen.
    »Wer?« flüstert Lysander und beugt sein Ohr an des Meisters Mund.
    Ein einziger Name dringt über Morgantus’ Lippen. Deutlich genug, um Lysanders Befürchtungen zu bestätigen. Er will sich vom Lager des Leidenden entfernen, um persönlich Nestors Verfolgung zu leiten, doch da schnellt die Hand des Alten vor und umklammert seinen Unterarm.
    »Er weiß es!« kommt es röchelnd aus der Kehle des Meisters. » Er weiß es!«
    Lysander eilt davon und durchkämmt mit zwei Dutzend Ordensbrüdern die Wälder. Sie finden Spuren, sonst nichts. Nestor bleibt verschwunden.
    Morgantus lebt. Der Dolchstoß hat sein Herz verfehlt. Schon zwei Monde später ist er wieder auf den Beinen.
    Noch immer keine Spur von dem Verräter Nestor. Der Provinzmeister exkommuniziert ihn in Abwesenheit. Lysander erfragt die Erlaubnis, ihn jagen zu dürfen, doch Morgantus bittet ihn, im Kloster zu bleiben. Lysander gehorcht.
    Morgantus behandelt Lysander seit dem Attentat wie einen Sohn. Er weiht ihn in all seine Geheimnisse ein. Gemeinsam wollen sie Wunder wirken. Die Liebe, die Lysander dem Ritter einst entgegengebracht hat, erwacht von neuem.
    Manchmal muß Schlimmes geschehen, denkt Lysander, damit sich alles zum Guten wendet.
    Einen Augenblick später findet er den Gedanken albern.
    Die Niederkunft des Mädchens im Anbau sorgt für Aufregung. Morgantus hat sich ausbedungen, die Geburt persönlich zu überwachen. Er flößt dem Mädchen Tinkturen ein, redet ihm gut zu, macht ihm Hoffnung. Dennoch: Die junge Mutter ist zu schwach. Ihr Leben erlöscht, als sie das Kind zur Welt bringt. Sie erhält außerhalb des Klostergeländes ein christliches Begräbnis. Niemand bringt ihren Tod mit Morgantus’ Tinkturen in Verbindung.
    Lysanders Vermutung wird bestätigt: Der Meister gesteht ihm im geheimen, daß er selbst der Vater des toten Mädchens war – und auch der Vater des Neugeborenen! Morgantus hat mit der eigenen Tochter ein Kind gezeugt! Lysander weiß, was das bedeutet.
    Doch ihre Hoffnungen werden enttäuscht. Das Kind ist ein Junge! Morgantus verstößt ihn im Zorn. Ordensbrüder haben Mitleid und bringen ihn in ein Nonnenhaus im Tal. Lysander ist jetzt sicher, daß sein Feind all das vorausgesehen hat. Nestor hat befürchtet, die Sunden des Meisters könnten ans Licht gelangen und für seinen Ausschluß aus dem Orden sorgen. Bevor das jedoch geschehen konnte, hat Nestor sich alle Versuchsergebnisse des Alten gesichert. Diese Schlange!
    Kind und Kindeskind bleiben fortan ein Geheimnis zwischen Morgantus und Lysander. Geheimnisse binden. Dieses mehr als alle anderen.
    In Paris wird der Großmeister Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Lysander, Morgantus und die übrigen Ordensbrüder ergreifen die Flucht.
    Endlich! Es ist vollbracht!

KAPITEL 8
    Der Mond legte einen Schleier aus Eislicht über die Ruinen des Templerklosters. Ein breiter Strahl fiel von innen durch das Hauptportal und verwandelte die drei schweigenden Gestalten auf den Stufen in geisterhafte Schemen. Gillian saß zwischen den beiden Kindern und hatte die Arme um ihre Schultern gelegt. Bitterkalte Windböen jagten die Gebirgshänge herab und wisperten in den Tannen und Fichten. Im Licht des Mondes sah die ehemalige Parkanlage des Sankt-Jakobus-Stifts aus wie ein verwilderter Gottesacker. Gillian bemerkte, daß Gian und Tess zitterten. Er wußte nicht, ob die Kälte die Schuld daran trug oder die Schrecken der fremden Erinnerungen, die sie gerade durchlebt hatten.
    Die Kinder hatten unzusammenhängend, in Bruchstücken, gelegentlich auch unverständlich gesprochen. Manchmal waren es nur einzelne Begriffe gewesen, dann wieder minutenlange Schilderungen voller Details, so ausgefeilt, als würde ein anderer den Kindern die Worte eingeben.
    Schließlich war Tess vor Erschöpfung in Gillians Arm zusammengesunken, und auch Gians Stimme war schwächer geworden. Gillian entschied, daß es genug war. Er

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