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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wüßte gerne, was ich euch getan habe.«
    Es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt für solch eine Diskussion, das wußte er selbst, aber seine aufgestaute Wut über die offene Ablehnung der beiden überkam ihn wie ein Anfall seiner Allergie. Er konnte nichts dagegen tun.
    »Aura und ich haben gestritten, das ist alles.« Daniels zornige Miene wurde zunehmend finsterer. »Reicht dir das?«
    »Das war keine Antwort auf meine Frage.«
    Einen Augenblick lang sah es aus, als würde der langgehegte latente Zorn – auf sich selbst, nicht auf Christopher – aus Daniel hervorbrechen. Dann aber biß er sich auf die Unterlippe und gab sich betont gelassen. Hinter dieser Maskerade brodelte es weiter.
    »Es hat nichts mit dir zu tun«, preßte er hervor. »Nicht wirklich.«
    »So? Tatsächlich nicht?« Christopher schenkte ihm ein kaltes Lächeln. »Seltsam, daß ich einen ganz anderen Eindruck hatte.«
    »Ja«, entgegnete Daniel kühl, »seltsam.«
    Im nachhinein hätte keiner von beiden zu sagen vermocht, wer wirklich den ersten Schritt getan hatte. Plötzlich aber, von einem Moment zum anderen, scheinbar ohne Anlaß, gingen sie aufeinander los wie rauflustige Hunde. Christopher gelang es, Daniel in den Schwitzkasten zu nehmen, während Daniel seinerseits ausholte und seine Faust in Christophers Magen hieb. Eine Sekunde später war er frei und setzte sofort nach. Heftig stieß er Christopher zurück. Der krachte mit seinem geprellten Knie gegen einen Türrahmen und sackte keuchend zusammen.
    Daniel blieb vor ihm stehen und wirkte selbst ein wenig überrascht über den abrupten Gewaltausbruch. Auf den Verbänden an seinen Handgelenken leuchteten zwei dunkelrote Flecken. Ganz kurz sah es so aus, als wolle er Christopher die Hand reichen, um ihm aufzuhelfen. Dann aber ließ er es bleiben.
    »Tut mir leid«, murmelte er statt dessen, drehte sich um und schloß die Tür seines Zimmers hinter sich.
    Christopher rappelte sich hoch und erwog einen Moment lang, Daniel zu folgen, wandte sich dann aber ab. Er wußte, wann er verloren hatte. Es war eine Art von Ehrgefühl, die ihn das Waisenhaus gelehrt hatte.
    Was aber war eigentlich geschehen? Wie hatte es überhaupt soweit kommen können?
    Er war wütend auf Daniel, natürlich, aber ebenso verwirrte ihn seine eigene Reaktion. Was stand nur zwischen ihnen, das sie so aufeinander hatte losgehen lassen?
    Er zog heftig die Tür hinter sich zu und warf sich aufs Bett. Den Rest der Nacht lag er wach und horchte ins Dunkel. Das Kreischen auf dem Dachboden war verstummt – oder aber es vermochte die alten Mauern nicht zu durchdringen.
    Alles, was er hörte, war das leise Flüstern der See. Es klang wie das Rauschen im Inneren der Muschel, Hirngespinst und Wirklichkeit vereint.
    Im Traum sah Aura eine Wespe, die auf ihrer Brustwarze tanzte. Auf und ab, bereit, jederzeit zuzustechen. Die Wespe spielte mit ihrem Opfer, zögerte den Angriff hinaus. Dann aber senkte sich der Stachel in weiche Haut, mitten in den hellbraunen Hof. Der Schmerz traf Aura wie ein Geschoß. Er füllte sie aus, erglühte, loderte in ihr wie Feuer. Und verschwand.
    Aura erwachte und schlug um sich. Panik war in ihr, quoll als Aufschrei über ihre Lippen.
    Niemand hörte sie. Ihr Zimmer lag viel zu weit abseits.
    Immer noch in heller Aufregung warf sie ihre Decke zur Seite und raffte ihr Nachthemd hoch. Doch ihre Brust war unversehrt. Keine Wespe, kein Einstich. Nur ein Traumbild, das allmählich verblaßte.
    Sie blieb noch eine Weile liegen, schweißgebadet und erschöpft, dann erst erhob sie sich. Sogar durch den Bettvorleger spürte sie die Kälte des Bodens unter ihren Füßen, und das, obwohl sie am Abend das Feuer im Ofen geschürt hatte. Aber das Parkett war immer kalt, ganz gleich, was sie dagegen unternahm. Dafür war es viel zu sehr Teil dieses Schlosses.
    Sie legte das Nachthemd ab und betrachtete eingehend ihre Beine. Goldene Ringe glitzerten längs der Innenseiten ihrer Schenkel, auf jeder Seite neunzehn. Der Schmerz, den sie verursachten, war zu ihrem ständigen Begleiter geworden, nunmehr seit fünf Tagen, seit sie achtunddreißig ihrer Ohrringe durch die Haut ihrer Schenkel gestochen hatte. Es tat nicht so weh, wie sie erwartet hatte, aber das scharfe Ziehen genügte, um sie an die achtunddreißig Monate zu erinnern, die ihr bevorstanden. Ihre Monate im Internat. Für jeden einzelnen ein Ring.
    Ausgerechnet Friedrich hatte sie auf die Idee gebracht, kurz vor seiner Abreise nach Afrika vor knapp einem

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