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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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er doch große Weisheit. Er fragte mich, ob ich seine Frau werden wollte. Er fragte mich, verstehst du? Er hätte es befehlen können, aber er ließ mir die freie Wahl. Er sagte, er werde bald sterben, ich aber würde ewig leben, und es sei gut, wenn ich dieses Geschenk in den Dienst Uruks stellte. Kurzum, er bot mir an, nach seinem Tod die Königin seines Reiches zu werden. So sollte seine Suche nach der Unsterblichkeit, wenn auch nicht ihm selbst, so doch zumindest seinem Volk zugute kommen, denn eine unsterbliche Königin würde nicht immer wieder die gleichen Fehler begehen, wie es gewöhnliche Herrscher tun.«
    »Und du hast abgelehnt?«
    »Nein. Ich nahm sein Angebot an. Er verkündete die Neuigkeit noch am selben Tag im Rat, und die Räte verkündeten es wiederum dem Volk. Jeder kannte die Geschichte von Gilgameschs Suche und den Gefahren, die er überstanden hatte. Damit aber niemand aufgrund meiner ewigen Jugend misstrauisch werden würde, ließ der König erklären, in mir sei die Göttin Innana zum Mensch geworden, jene Göttin, die er einst abgewiesen hatte. Jetzt aber, im hohen Alter, hätte er erkannt, welch großer Fehler dies gewesen war, und er hätte den Entschluss gefasst, Abbitte zu leisten. Daher, so hieß es, würde er die Göttin nun zur Frau nehmen und zu seiner Königin machen, die fortan und auch nach seinem Tod über Uruk und das Reich herrschen solle. So kam es, dass ich für ein paar Stunden fast eine Königin war.«
    »Fast?«
    »Noch in derselben Nacht überbrachte man mir die Nachricht, dass Gilgamesch gestorben sei«, sagte Innana mit einem Seufzen. »Nur wenige Stunden, bevor die Ehe geschlossen werden sollte. So wurde ich weder seine Frau noch die Königin von Uruk. Ich musste die Stadt verlassen, damit sein Nachfolger mich nicht ermorden ließ, und damit begann meine große Wanderung über die Welt.«
    Sie schwiegen, nachdem Innana geendet hatte. Gemeinsam stan-den sie hinter den Zinnen, blickten über die kahlen Berge der Sierra, tief in Gedanken versunken. Schließlich ergriff Aura das Wort.
    »Cristóbal hat gesagt, Hassan As Sabbah, der erste Alte vom Berge, habe dich in seiner Festung als Schwarze Isis verehrt.«
    »Ich bin in all den Jahren weit herumgekommen. Aber ich habe mich immer gern in den Ländern des Orients aufgehalten, und dort war ich alles, mal Hetäre, mal Fürstin. Hassan As Sabbah fand mich auf einem Sklavenmarkt, als er noch ein junger Mann war, und er kaufte mich mit Geld, das er seinem Vater gestohlen hatte. Er musste daraufhin die Stadt verlassen, und ich, als seine Sklavin, musste mit ihm gehen. Anfangs benutzte er mich, aber nach und nach gelang es mir, seine Achtung zu gewinnen. Eine Weile glaubte er sogar, er sei in mich verliebt, aber stets ließ ich ihn spüren, dass ich nur sein Besitz war. Er wurde älter, während ich jung blieb, und er begann sich darüber zu wundern. Nicht nach einem Jahr, nicht einmal nach zehn. Aber als er das fünfzigste Jahr erreichte und ich noch immer so aussah wie ein Mädchen, bekam er es mit der Angst zu tun. Ihm waren Gerüchte zu Ohren gekommen, von einer Dschinn, die seit Jahrtausenden durch die Reiche des Ostens zog, doch er dachte, er wisse es besser. Schon als junger Mann hatte er begonnen, die Kriegersekte der Assassinen aufzubauen, anfangs aus Machtgier und Hass auf die reichen Händler und Fürsten in ihren goldenen Palästen, auf Männer wie seinen Vater, später aber aus wahrer Überzeugung. Er verkündete seinen Anhängern, ich sei keine gewöhnliche Frau, sondern die Fleisch gewordene Isis. Und so kam es, dass man mich zum zweiten Mal ohne mein Zutun zur Göttin ausrief.«
    »Seitdem wirst du von den Assassinen verehrt?«
    »Erst von den Assassinen in der Festung von Alamut, später dann auch von ihren Verbündeten, den Templern. Mit dem Unterschied, dass die einen Isis, die anderen ihre Madonna in mir sahen.«
    Aura erinnerte sich an das, was Lucrecia Kaskaden ihr über die Schwarzen Madonnen erzählt hatte, Statuen, die einst Isis dargestellt hatten und später von christlichen Bildhauern zu Marienfiguren umgearbeitet worden waren.
    In ihnen allen schlägt noch immer das Herz der Schwarzen Isis, hatte sie gesagt.
    Mit Innana war dasselbe geschehen. Angebetet als Göttin des Orients, hatte man auch aus ihr eine christliche Ikone gemacht.
    »Warum bist du nicht von hier fortgegangen?«, fragte Aura.
    »Wohin hätte ich denn gehen sollen?« Innana schüttelte den Kopf. »Ich habe alles gesehen, alles erlebt,

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