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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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er mit dem Tempel noch einmal ganz von vorne beginnen wollte«, sagte Konstantin. »Das deckt sich mit dem, was er uns erzählt hat.«
    Karisma sah zum Eingang hinüber, einem engen Halbrund aus Granit. Ein niedriger Korridor führte von dort aus ins Treppenhaus. Er war menschenleer.
    Sie wollte aufbrechen, doch Gillian hielt sie zurück. »Warte noch. Ich denke, unser Freund schuldet uns ein paar Erklärungen.«
    Konstantin seufzte. »Was wollen Sie hören?«
    Gillian bemerkte, dass Karisma ihn eindringlich ansah. »Zum Beispiel«, sagte er, »was Sie und Aura hier zu suchen haben.«
    »Muss das jetzt sein? Und hier?«
    Gillian nickte grimmig. »Wenn die Assassinen Sie erschlagen ha-ben, ist es zu spät.«
    »Ich denke, ich weiß jetzt, wer Sie sind«, sagte Konstantin nach kurzem Überlegen.
    »Umso besser.«
    Konstantin atmete tief durch und blickte noch einmal zum Kerkertor hinüber. Niemand war zu sehen. Besser, er brachte diese Sache so schnell wie möglich hinter sich.
    Eilig begann er zu erzählen.
    Aura hatte die erste Überraschung überwunden, doch noch immer hielt sie die Möglichkeit, dass sich Gillian hier in Spanien, sogar im selben Gebäude aufhalten könnte, für mehr als unwahrscheinlich.
    Doch warum hätte Innana sie belügen sollen?
    Aura gab nicht viel auf das Gerede vom Neubeginn der Welt. Zumal sie sich fragte, woher Innana die Gewissheit nahm, dass sie selbst eine solche Umwälzung überleben würde. Vermutlich war auch Überheblichkeit eine Folge ihres Alters. Könige und Kaiser waren innerhalb von Jahrzehnten, manche schon nach wenigen Jahren dem Größenwahn verfallen – insofern hatte sich Innana ihre Vermessenheit redlich verdient.
    Die Frage war, welche Folgen ihre Bestrebungen für Gian und Tess, für Konstantin, Aura und, ja, für Gillian hatten.
    Gillian…
    Es war einfach unmöglich. Und trotzdem ertappte sie sich dabei, wie sie vom Turm hinab über die Hänge und die Landzunge blickte.
    Ich spüre, dass er hier ist, hatte Innana gesagt. »Ist er hier im Haus?«, fragte Aura.
    »Ich habe seine Existenz seit langem gespürt«, sagte Innana.
    »Aber er war zu weit fort, als dass meine Rufe ihn hätten erreichen können. Jetzt ist er hier.«
    Aura musste sich zwingen, nicht weiter nachzubohren. Ihre Fragen über Gillian führten zu nichts. Sie musste logisch denken, rational.
    »Du warst es, die uns diese Bilder gesandt hat?«, fragte sie.
    Das Mädchen, das keines war, nickte. »Man lernt vieles in so lan-ger Zeit. Und man entwickelt sich. Es wäre eine Überlegung wert, zu was wir uns wohl entwickeln. Erst Menschen, dann Unsterbliche, und schließlich – Götter? Aber was kommt dann?«
    »Wenn es dir recht ist, verschiebe ich den Gedanken daran um, sagen wir, ein paar tausend Jahre.«
    Innana lachte. »Wir könnten alle zusammen sein, Aura. Eine Familie von Unsterblichen. Auch deine Kinder könnten so sein wie wir.«
    »Cristóbal hat es ihnen angeboten.«
    »Ich weiß. Er ist nicht dumm. Aber er blickt über den plumpen Reiz einer solchen Möglichkeit hinaus und hat für sich selbst die Folgen abgewogen. Er hat kein Verlangen nach der Ewigkeit.«
    Schweigend musste Aura ihr zustimmen. Philippe fürchtete die Vergangenheit – die Tradition, wie er sie nannte –, und vermutlich hatte er ebenso viel Angst vor der Zukunft. Warum hätte er sich ihr freiwillig aussetzen sollen? Einen Augenblick lang stieg er wieder in ihrer Achtung, trotz allem, was er getan hatte.
    »Können wir uns selbst das Leben nehmen?«, fragte sie unvermittelt. Bislang hätte sie diese Frage stets mit Ja beantwortet, aber mit einemmal war sie nicht mehr so sicher.
    »Ich kannte welche, die es getan haben, vor langer Zeit«, sagte In-nana. »Aber sie hatten einen starken Willen und starke Überzeugungen.«
    »Im Gegensatz zu mir?«
    »Das hast du gesagt, nicht ich.«
    »Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt?«
    »Tausendmal. Aber es war eben nie mehr als das – nur ein Gedanke. Ich hätte nicht den Mut dazu. Und schon gar nicht die nötige Verzweiflung, jetzt erst recht nicht. Trauer und Angst sind vergänglich. Wir sind es nicht.«
    »Ich weiß, was du meinst.«
    »Tatsächlich?«
    Aura konnte ihr nicht in die Augen sehen, obwohl sie spürte, dass Innana sie von der Seite anstarrte. Sie nickte langsam.
    »Als ich nach Paris gegangen bin, da war ich verzweifelt, und es wäre mir egal gewesen, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich nur noch wenige Tage zu leben habe. Verstehst du? Es hätte keine Rolle

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