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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gespielt. Aber dann tauchten die blutigen Handabdrücke auf, die Sterne des Magus, Fuente…« Und Konstantin, fügte sie in Gedanken hinzu. »Plötzlich war alles wieder… ich weiß nicht, anders. Neu. Als hätte irgendwer das Licht eingeschaltet.«
    »Das ist es, was ich meine«, sagte Innana. »Der Schmerz vergeht. Aber wir bleiben. Auf ewig.« Bei jedem anderen hätte sich das nach unerschütterlichem Optimismus angehört, aber Innana brachte es fertig, selbst diesen Worten einen Klang vollkommener Gleichgültigkeit zu geben.
    »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Aura. »Was schlägst du vor?«
    »Ich will die Kinder zurück.«
    »Und den Hermaphroditen?«
    Absurd. So absurd, dass es schon wieder wahr sein konnte.
    »Das muss er selbst entscheiden«, sagte sie ausweichend.
    Innana schob eine ihrer schmalen Mädchenhände über Auras Finger auf der Steinzinne. »Bleib bei mir. Du und die anderen – bleibt einfach bei mir.«
    »Wir werden sehen.« Innana lächelte. »Das waren meine Worte.« »Die Worte einer Göttin passen offenbar zu vielen Gelegenheiten.« »Mach dich nicht über mich lustig.« Aura schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie ernst. Das Mädchen zog die Hand zurück, spielte einen Moment lang mit der knöchernen Brosche und schaute gedankenverloren über die sonnendurchglühte Sierra de la Virgen.
    »Du willst Gian und Tess zurück… gut, das sehe ich ein. Aber erst, nachdem sie dem Alten vom Berge geholfen haben, den Gral und das Verbum zu finden.«
    »Was, wenn es ihnen nicht gelingt?« »Sie werden beides finden – früher oder später.« »Kann ich mit ihnen sprechen?« »Ich wusste, dass du mich darum bitten würdest.« »Und deine Antwort?« Wieder zögerte Innana. »Ich will nicht mehr allein leben. Alles, was ich getan habe, all die Ideen, die ich dem Alten in den Kopf gesetzt habe – der Gral, das Verbum, der Wunsch, dich und die anderen hierher zu holen –, all das habe ich nur getan, um euch zu begegnen. Aber wenn ich dir helfen soll, die Kinder zurückzubekommen, musst du mir etwas versprechen: Falls der Hermaphrodit sich weigert, wirst du mir fortan Gesellschaft leisten, Aura. Das ist meine Bedingung.«
    »Das bedeutet Freiheit für Gian und Tess – und Gefangenschaft für mich.« »Keine Gefangenschaft. Eine Freiheit, die größer ist als jede, die du bisher gekannt hast.« »In diesem Turm?« Innana winkte ab. »Wir können gehen, wohin wir wollen.« »Das wird Cristóbal nicht gefallen.« Ein feines Lächeln spielte um Innanas Mundwinkel. »Es heißt Tempel der Schwarzen Isis, nicht Tempel des Alten vom Berge. Has-san As Sabbah hat mich zu seiner Göttin bestimmt, und das gilt auch für seine Nachfolger.«
    Aura bezweifelte, dass solcherlei Regeln für Cristóbal noch Gel-tung hatten, nicht nach allem, was er getan und gesagt hatte. Aber es wäre müßig gewesen, mit Innana darüber zu streiten.
    »Einverstanden«, sagte sie schließlich. »Bring mich zu den Kindern.«
    Innana fing Auras Blick mit ihren grauen Augen ein, und für einen Moment hatte Aura das Gefühl, blitzartige Ausschnitte von Dingen zu erkennen, die diese Augen im Laufe der Zeitalter geschaut hatten.
    Alte, schreckliche, wundervolle Dinge.
    Visionen vom Werden und Wandel der Welt. Die Nachwehen der Schöpfung – und vielleicht ein Vorgeschmack darauf.
    Plötzlich hatte sie entsetzliche Angst.
    »Komm«, sagte Innana und stieg durch die Luke die Stufen hinab. »Ich bringe dich zu deinem Sohn.«
    Tess erkannte die Wahrheit.
    Sie wusste, dass Gian dieselben Bilder sah, spürte seine Anwesenheit in ihren Gedanken, so wie sie an den seinen teilhatte.
    Sie sah den Ritter auf seinem weißen Pferd. Er preschte die Landzunge entlang, die damals kaum anders ausgesehen hatte als heute. Wohl hatte sich das Haus an ihrer Spitze verändert. In Tess’ Vision – Nestors Erinnerung – war es kleiner, kompakter, ohne die verfallenen Anbauten, die sich heute wie Geschwüre an seine Mauern klammerten. Die Wände waren heller, das Dach unbeschädigt. Es gab keine Flaggen, keine Wappen, keine Wimpel. Nichts, das auf die Besitzer des Anwesens schließen ließ.
    Die Hänge rund um den See waren mit Gras bewachsen, und viele schienen Tess höher und schroffer zu sein als heute. Der Wasserspiegel war damals niedriger gewesen.
    Der Ritter erreichte das Haus und wurde freundlich empfangen. Sie wusste jetzt, dass es sich um Nestor Nepomuk Institoris handelte, Auras Vater, der Stammvater der Familie, damals, als von einer Familie

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