Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
hatte.
Schwarze Isis.
Sie löste den Blick beinahe panisch von ihrem Spiegelbild, nahm eine Kutsche und fuhr zu Philippe.
KAPITEL 11
Philippe war abgereist.
»Schon heute Mittag«, sagte der Diener, der sie mit steifer Miene empfing.
»Etwa nach Brest?«
»In der Tat, Mademoiselle.«
»Hat er eine Nachricht für mich hinterlassen?«
»Nein, Mademoiselle.«
Sie konnte nicht glauben, dass er gefahren war, ohne sich von ihr zu verabschieden. Andererseits hatte ihn der Streit mit Raffael sichtlich mitgenommen. Gut möglich, dass der Zwist der beiden seine Abreise beschleunigt hatte.
»Wann erwarten Sie ihn zurück?«
Der Diener sah sie mit festem Blick an, ohne dass seine Miene irgendeine Regung verriet. »Frühestens in drei Wochen.«
Sie hob verwundert die Augenbrauen. »Was tut er drei Wochen lang in Brest?«
»Sie werden verstehen, Mademoiselle, dass ich…«
»Schon gut.« Sie wollte sich abwenden und gehen, als ihr noch etwas einfiel. »Ist Raffael zu sprechen?« Ihr wurde bewusst, dass sie nicht einmal wusste, wie Philippes Liebhaber mit Nachnamen hieß. Philippe hatte ihn nur als Raffael vorgestellt, wie ein neues Haustier.
»Nun, Mademoiselle, Monsieur Raffael«, sie verkniff sich ein Lachen, da der Diener offenbar auch nicht mehr wusste als sie – »hat gerade einige Dinge zusammengepackt. Er verlässt uns.«
Sie wurde hellhörig. »Einige Dinge?«
Der Diener nickte missbilligend. »Jawohl, Mademoiselle.«
»Hat er diese… Dinge erst gepackt, nachdem Monsieur Monteillet fort war?«
»Allerdings.«
»Und das lassen Sie zu?«
Die Nasenflügel des Mannes bebten unmerklich. »Monsieur Raffael wurde uns als Freund des Hauses vorgestellt, der jederzeit ein- und ausgehen darf und behandelt werden soll wie der Herr des Hauses persönlich. Es liegt nicht in meiner Befugnis, in einer solchen Situation nach meinem eigenen Gutdünken zu handeln und die Anweisungen des…«
Ungeduldig fiel sie ihm ins Wort. »Wo ist er jetzt?«
»Wenn Sie sich beeilen, könnten Sie ihn eventuell noch bei den Ställen antreffen. Er hat die Kisten auf einem Wagen verstauen lassen.«
»Etwa mehrere?«
»Ich habe sechs gezählt, Mademoiselle.«
Sie ließ ihn stehen, schaute aber im Laufen noch einmal über die Schulter. »Besten Dank.«
Sie eilte die Außentreppe hinunter und lief um das Gebäude herum zur Rückseite. Sie bog gerade um die Ecke, als aus dem Dunkel eine Kutsche hervorschoss und sie beinahe überrollte. Kies spritzte gegen ihre Schienbeine. Aura presste sich mit dem Rücken gegen den Bruchsteinsockel des Palais’, um nicht von den Rädern erfasst zu werden. Sechs große Holzkisten standen auf der Ladefläche. Raffael hockte neben dem Fahrer auf dem Kutschbock, ohne Aura zu bemerken. Zu beiden Seiten der Sitzbank brannten Öllampen in kleinen Glaskästen. Ihr Licht verwandelte die Gesichter der Männer in bleiche Masken.
Zornig rief sie ihm hinterher, aber ihr Ruf ging im Lärm der Hufe und Räder unter.
Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, was geschehen war. Philippe hatte Raffael mit seiner Untreue konfrontiert. Die beiden hatten sich gestritten. Um Abstand zu gewinnen, war Phi-lippe Hals über Kopf nach Brest abgereist. Die Säle das Palais waren voll mit wertvollen Kunstgegenständen, ganz abgesehen von Wertpapieren, Schuldscheinen und wohl auch Bargeld, das Philippe in seinem Arbeitszimmer aufbewahrte. In Raffaels Kisten war Platz für eine Menge davon.
Aura kochte vor Wut, und für einen Moment vergaß sie sogar ihre eigenen Probleme. Philippe war ihr Freund, er hatte sie in den vergangenen Jahren mehr als einmal beraten und getröstet wie ein Vater. Sie würde nicht zulassen, dass Raffael das Vertrauen, das Philippe in ihn gesetzt hatte, so missbrauchte.
Sie eilte zu den Stallungen hinüber, sah, dass es viel zu lange dauern würde, eine zweite Kutsche anzuschirren, und ließ sich von einem erstaunten Knecht einen Wallach satteln. Mit gerafftem Kleid stieg sie auf den Rücken des Tiers, preschte über den dunklen Vorplatz, an den erleuchteten Fenstern des Palais’ vorüber und die Auffahrt hinunter.
Am Tor der Parkanlage sah sie den beladenen Wagen auf die Hauptstraße abbiegen. Wenn sie gewollt hätte, hätte sie ihn gleich hier einholen können, doch sie zog es vor, dem Gefährt in einigem Abstand zu folgen. Sie wusste nicht, wohin Raffael die Sachen brachte, aber sie vermutete, dass er irgendwo in der Stadt ein Quartier besaß. Es würde interessant sein
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