Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
Schatz sei hier auf der Insel aufbewahrt worden und später mit den Flüchtlingen nach Spanien gelangt?«
»So ist es.«
»Welchen Anlass hatte er zu dieser Vermutung?«
»Der Schatz soll zu großen Teilen aus Kostbarkeiten bestanden haben, die sich die Templer bereits während ihrer Zeit im Heiligen Land angeeignet hatten. Gold und Geschmeide aus geplünderten Moscheen, aus den Schatzkammern des Kalifen und den Satteltaschen der Wüstennomaden. Viele dieser Stämme waren gefürchtete Räuber, die seit etlichen Jahren nicht nur einheimische Karawanen, sondern auch Missionare überfielen. In manch abgelegener Oase wurden Reliquien entdeckt, die seit langer Zeit als verschollen galten. Für die Kirche waren das unvorstellbare Werte. Angeblich soll der Templerschatz bereits Ende des zwölften Jahrhunderts aus dem Heiligen Land nach Europa gebracht worden sein. Weil man den Herrschern Deutschlands, Frankreichs und Spaniens misstraute, soll er auf einer Insel versteckt worden sein, die sich dem Einfluss des Fest-lands entzog. Und auf keiner Insel im Mittelmeer hatten die Templer mehr Macht als hier auf Mallorca.«
Gillian überlegte. »Ende des zwölften Jahrhunderts, sagen Sie. Aber zu dem Zeitpunkt stand die Insel noch unter der Herrschaft der Sarazenen. Sie wurde erst im dreizehnten Jahrhundert befreit.«
»Allerdings«, sagte Narcisco mit breitem Lächeln. »Wurde der Schatz anderswo zwischengelagert?«
»Lassen Sie mich noch einmal betonen, dass niemand weiß, ob dieser Schatz überhaupt je existiert hat. Aber falls dem so ist, und der Bericht, laut dem er um 1190 aus dem Heiligen Land abtransportiert wurde, der Wahrheit entspricht – nun, dann stellt sich die Frage, wo war der Schatz in jener Zeit? Sicherlich hat man ihn nicht all die Jahre über auf dem Mittelmeer spazieren gefahren. Es ist allerdings ebenso fragwürdig, ob man ihn tatsächlich in den Herrschaftsbereich eines der habgierigen Festlandkönige geschafft hätte. Ich bin jedenfalls zu einem anderen Schluss gekommen.«
Zu einfach, dachte Gillian. Warum macht er es uns so einfach?
»Lassen Sie uns für einen Moment ein paar Jahre überspringen«, sagte Narcisco. »Wir sprechen gleich wieder über den Schatz, aber zuvor muss ich Ihnen etwas anderes erzählen. Sie wissen, dass die Templer König Jaime geholfen haben, die Insel von den Sarazenen zurückzuerobern. Es gibt allerdings ein, zwei Dinge, die diese Vorgänge in ein anderes Licht rücken. So ist etwa einer der wenigen wirklichen Streitpunkte zwischen Mallorcas König und dem Orden die Tatsache gewesen, dass die Templer auf ihren Ländereien im Nor-den der Insel Sarazenen als Arbeiter und Verwalter beschäftigten. Während die Heiden überall sonst in Europa erschlagen oder vertrieben wurden, scherten sich die Tempelritter nicht um die Vorurteile und gestatteten zahllosen Moslemfamilien, weiterhin ihre Felder hier auf der Insel zu bestellen. Man verlangte von ihnen, zum Christentum überzutreten, aber das hatte nur auf dem Papier Bedeutung. Es ist bekannt, dass es in Höhlen und Ruinen geheime Moscheen gab, in denen die Moslems weiterhin Allah anbeteten, und es ist anzunehmen, dass die Tempelherren davon wussten und sie gewähren ließen. Die Frage ist nur, warum!«
»Sie kennen die Antwort?«, fragte Karisma.
Narcisco streichelte abwechselnd die beiden Tauben auf seinen Schultern. »Die Antwort… Sagen wir, ich habe eine Vermutung. Es gab ganz offensichtlich eine enge Verbindung zwischen dem Orden und den Moslems auf der Insel. Und obwohl die Ritter halfen, die Macht des Halbmonds zu brechen, scheinen sie doch dafür gesorgt zu haben, dass zumindest einem Teil der Sarazenen kein Haar gekrümmt wurde. Sie stellten sich sogar dann noch schützend vor die Moslems, als sie sich damit den Zorn des Königs zuzogen, obwohl doch er es war, dem sie ihre Ländereien auf der Insel zu verdanken hatten.«
»Ich glaube, ich weiß jetzt, worauf das hinausläuft.« Karisma schüttelte den Kopf. »Sie glauben, die Templer haben ihren Schatz um 1190 hier auf der Insel versteckt, im Machtbereich der Sarazenen – wahrscheinlich sogar mit deren Einverständnis? Einen Schatz, wohlgemerkt, den sie den Moslems im Heiligen Land gerade erst gestohlen hatten? Das ist doch absurd.«
»Auf den ersten Blick, gewiss. Aber das Ganze hat eine eigene Vorgeschichte, und die führt uns zurück nach Palästina. Ich gehe doch gewiss recht in der Annahme, dass Sie schon einmal von den Assassinen gehört haben.«
»Die
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