Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
Sekte der Meuchelmörder«, sagte Gillian.
»So hat man sie genannt, ja, Die Assassinen waren eine Gruppe von, sagen wir, islamischen Elitekämpfern, die nach einem strengen Kodex lebten. Ihr Anführer war eine mysteriöse Gestalt, die als der Alte vom Berge in die Geschichte eingegangen ist. Man weiß nicht allzu viel über sie, nur dass sie während der Kreuzzüge und auch noch später als verbissene Krieger in Erscheinung getreten sind, die den eigenen Tod nicht scheuten, wenn sich dadurch ein Gegner ausschalten ließ. Sie trugen schwarze Kleidung und verbargen ihre Gesichter hinter schwarzen Tüchern. Ihre Mitglieder wurden als Kinder aus den Reihen der Nomaden rekrutiert und auf die geheime Festung Alamut gebracht, wo der Alte vom Berge sein Hauptquartier hatte. Hier wurden sie einem Drill unterzogen, der sie binnen weniger Jahre zu eiskalten Killern machte. Anfangs kämpften sie auf der Seite des Kalifen gegen die Christen, aber später, so heißt es, verkauften sie ihre Dienste an den Meistbietenden.«
»Söldner.« Es klang, als spuckte Karisma das Wort in den Schmutz.
»Söldner, ja, aber auch sehr viel mehr als das. Niemand konnte es mit den Assassinen aufnehmen. Ihre Säbel töteten rasch und lautlos, und es gibt Geschichten über ganze Dörfer, deren Bewohner ausgerottet wurden, ohne dass ein einziger Schrei ausgestoßen oder eine Hand zur Gegenwehr erhoben wurde.« Er machte eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen.
»Aber dann, man weiß nicht, warum, verschwanden die Assassinen, und niemand hörte mehr von ihnen.«
»Waren sie nicht auch eine Religionsgemeinschaft, eine Art Kriegerorden, wenn man so will?«, fragte Gillian. »Eine Art muslimisches Gegenstück der Templer?«
»Darauf wollte ich hinaus«, sagte Narcisco. »Allerdings waren die Assassinen ungleich grausamer und weniger wählerisch, was ihre Opfer anging. Wir Templer haben im Grunde immer nur für die Templer gekämpft. Die Männer um den Alten vom Berge aber… ja, wofür kämpften sie eigentlich? Für Reichtümer? Für Allah? Niemand weiß das so ganz genau. Um es kurz zu machen: Es gibt Anzeichen dafür, dass die Templer und die Assassinen aufeinander getroffen sind, und das nicht nur auf dem Schlachtfeld. Es muss ein gehöriges Maß an gegenseitiger Achtung gegeben haben, und möglicherweise hat das dazu geführt, dass man sich einander annäherte.«
»Sie wollen behaupten, Templer und Assassinen hätten sich insgeheim verbündet?«
»Nun, es gab solche und solche Templer. Theoretisch mochten sie einem Großmeister folgen, aber in Wahrheit existierten unterschiedliche Gruppen, die vor allem auf ihre eigenen territorialen Interessen bedacht waren. Möglich, dass eine dieser Gruppen – und eventuell war es gerade jene, der man den Abtransport des Templerschatzes anvertraut hatte, Brüder also, die bis zuletzt im Heiligen Land ausgeharrt und Gelegenheit genug gehabt hatten, den Assassinen zu begegnen. – möglich, also, dass diese Gruppe eine Übereinkunft mit dem Alten vom Berge getroffen hat. Der nämlich hatte sich irgendwann den Kalifen persönlich zum Feind gemacht und musste so schnell wie möglich einen Ort finden, an den er sich mit seinen Gefolgsleuten zurückziehen konnte.«
Gillian hatte den Eindruck, dass Narcisco müde wurde. Der alte Mann schien sich nach etwas umzuschauen, auf das er sich stützen konnte, und so reichte Gillian ihm nach kurzem Zögern das Schwertbündel. Er spürte Karismas missbilligenden Blick, ohne sich zu ihr umzuschauen. Narcisco aber lächelte dankbar und verlagerte sein Gewicht auf das Schwert wie auf einen Krückstock. Dann fuhr er fort:
»Damals war bereits abzusehen, dass die Sarazenen über kurz oder lang auch von den Balearen vertrieben werden würden. In Spanien hatte man sie bereits viel früher vernichtend geschlagen, und die Rückeroberung Mallorcas durch die Christen war nur eine Frage der Zeit. Ich denke, dass die Templer den Assassinen anboten, sich hier auf der Insel zu verstecken, als es für sie in den Ländern des Orients zu gefährlich wurde. Der Alte vom Berge und seine Männer überquerten unter dem Schutz der Templer das Mittelmeer und mischten sich unerkannt unter die muslimischen Besatzer der Insel. Als wenige Jahrzehnte später die sarazenischen Stellungen Mallorcas überrannt wurden, sorgten die Tempelritter dafür, dass den Assassinen nichts geschah. Mehr noch, sie nahmen sie als angebliche Vasallen unter ihre Fittiche und stellten ihnen Ländereien im
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