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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Gillian mit seinem Schicksal haderte, mit seiner neugewonnenen Unsterblichkeit ebenso wie mit der Trennung von Aura, und so hatte er alles getan, um seinen Schützling auf andere Gedanken zu bringen.
    Karisma sah Narcisco stirnrunzelnd an. »Sie haben bekommen, was Sie wollten. Jetzt sind wir an der Reihe.«
    Der alte Mann lächelte still in sich hinein. »Ich besorge Ihnen eine Karte. Sie werden verstehen, dass ich Sie nicht begleiten kann – der Ort, den Sie aufsuchen werden, liegt im Norden der Insel, in den Felsen über der Cala Solleric. Sie werden ein Boot mieten müssen, das Sie an der Küste entlang dort hinaufbringt. Und das letzte Stück müssen Sie klettern.«
    »Was werden wir dort finden?«, fragte Gillian.
    »Eine Höhle. Der Orden hat sie eine Weile als eine Art geheimes Kloster genutzt. Unsere Brüder haben dort la Mare de Dèu angebetet. Eine Schwarze Madonna. Sie nannten sie die Muttergottes vom Berg.«
    Das war nicht ungewöhnlich, wusste Gillian. Die Tempelritter waren seit jeher glühende Marienverehrer.
    »Bei klarem Wetter können Sie den Eingang vom Meer aus sehen, aber um diese Jahreszeit dürfte das Ihre geringste Sorge sein. Ich kenne jemanden, der Sie sicher dorthin bringen wird.«
    »Wer sagt uns, dass das keine Falle ist?«
    Narcisco schien jetzt ehrlich belustigt. »Glauben Sie, ich warte dort oben hinter einem Baum auf Sie, um Ihnen eins mit dem Knüppel überzuziehen?«
    Plötzlich vollführte er mit der Rechten eine so rasche Bewegung, dass Gillians Augen ihr nur mit Mühe folgen konnten. Innerhalb eines Augenblicks hielt Narcisco das blanke Schwert in der Hand. Tuch und Scheide lagen vor ihm am Boden.
    Karisma stieß einen wütenden Schrei aus und zog ihre eigene Waffe, aber Gillian gebot ihr mit einem Wink, sich zu beherrschen.
    Narciscos Blick wanderte prüfend über die Klinge. »Die Schwerter sind nicht besser geworden seit damals. Kaum jemand weiß noch, wie man eine vernünftige Klinge schmiedet.« Mühelos ließ er das Schwert herumwirbeln und fing die Klinge mit der bloßen Hand auf. Der Stahl war rasiermesserscharf, doch Narciscos Faust schloss sich fest um die Spitze. Erst nach einigen Sekunden gab er der Waffe einen Stoß, sie drehte sich einmal in der Luft und bohrte sich vor Gillians Füßen mit der Spitze ins Erdreich.
    Als Gillian das Schwert am Griff packte und wieder zu Narcisco hinübersah, schien der alte Mann jedes Interesse an ihnen verloren zu haben. Nachdenklich betrachtete er seine offene Handfläche – kein Blut, nicht die geringste Spur einer Verletzung.
    »Seien Sie morgen früh um neun Uhr am Hafen«, sagte er.
    »Fragen Sie nach der Matador. Man wird Sie dort erwarten. Und, Meister Gillian – danke!«
    Mit lautem Flattern stoben die beiden Tauben von seinen Schultern empor. Für einen Moment waren Gillian und Karisma abgelenkt. Als sie ihre Blicke wieder auf Narcisco richten wollten, war der alte Mann fort. Sie entdeckten ihn gut zwanzig Meter entfernt am Rande des Dickichts. Ehe irgendwer ihn hätte aufhalten können, verschmolz er mit der Nacht, die zwischen den Palmwedeln noch ein wenig dunkler, noch ein wenig kühler war. Nicht einmal Karisma machte Anstalten, ihm zu folgen.
    Gillian hob schweigend die Schwertscheide vom Boden auf, schob die Waffe hinein und schlug sie in das Tuch ein.
    Ein Schwärm Fledermäuse schoss über ihre Köpfe hinweg, und in den Blättern fauchte der Nachtwind.

KAPITEL 13
    Vor den Fenstern des Zugabteils raste die Finsternis dahin. Manchmal wurden Strukturen sichtbar, Bäume, Felsen und einsame Bauerngehöfte. Hin und wieder eine Kette von Lichtern, wenn der Zug einen Bahnhof oder ein Dorf passierte, dann wieder lange Phasen vollkommener Dunkelheit, so als bewegten sie sich immer weiter fort von der Helligkeit, geradewegs ins Herz der Nacht.
    Aura beobachtete ihr blasses Spiegelbild in der Fensterscheibe. Ihr eigenes und das ihrer beiden Mitreisenden.
    »Wir hatten genug Bargeld in einem Schließfach deponiert«, sagte Salome Kaskaden, »schon vor ein paar Tagen.«
    Ihre Schwester Lucrecia nickte. »Wir wussten, dass wir es früher oder später brauchen würden.«
    Die Zwillinge saßen Aura gegenüber. Sie selbst hatte eine ganze Bank für sich allein. Es gab keine weiteren Fahrgäste in diesem Abteil. Die Vorhänge zum Gang waren zugezogen. Vom Gedränge und Chaos, das in den anderen Waggons herrschte, war in der Ersten Klasse nichts zu spüren. Die einzigen Laute, die von draußen hereindrangen, waren das Donnern der

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