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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ich schätze, es hat viel mit dem zu tun, was aus uns geworden ist.« Sie sagte das mit einem seltsamen Lächeln, das an ihr ungewohnt spöttisch wirkte. »In gewisser Weise, jedenfalls.«
    Sie erwähnte diese Ereignisse jetzt schon zum zweiten Mal. Aber Aura fragte nicht nach, nicht einmal aus höflichem Interesse; schlimm genug, dass ihr noch immer ihre eigene Vergangenheit zu schaffen machte.
    »Irgendetwas lässt Ihnen keine Ruhe«, sagte Salome und beugte sich vor. Ihre kühlen Finger legten sich um Auras rechte Hand. »Ist es der Chevalier?«
    »Glauben Sie mir, der Chevalier ist im Augenblick meine geringste Sorge.« Sie war drauf und dran, den beiden alles zu erzählen. Dann aber nahm sie sich zusammen und schwieg.
    Sie zog ihre Hand zurück, rückte näher ans Fenster und blickte hinaus in die Nacht. Die dunkle Landschaft besaß weder Tiefe noch Form. Es war, als zöge jemand eine schwarze Tapete an der Scheibe des Abteils vorüber, leicht strukturiert, aber ohne feste Punkte, an denen sich das Auge festhalten konnte.
    Am Rande ihres Sichtfelds nahm sie wahr, dass die Zwillinge abermals einen Blick wechselten. Niemand sagte etwas.
    Irgendwann wandte Aura sich den beiden wieder zu. »Wenn wir es noch einmal versuchen würden, jetzt und hier meine ich, würde ich dann etwas anderes sehen? Mehr, vielleicht?«
    »Wollen Sie das wirklich?«, fragte Salome zweifelnd.
    Aura überlegte. »Nein«, sagte sie dann. »Nein, will ich nicht.«
    Lucrecia begann wieder, ihre Haarspitzen um den Zeigefinger zu wickeln. »Wer weiß? Im Zweifelsfall vertreibt es uns die Langeweile.«
    »Nein«, sagte Salome unerwartet heftig. Sie lehnte sich nicht oft gegen einen Wunsch ihrer Schwester auf. »Welchen Sinn sollte das haben?«
    Lucrecia sah Aura an, dann lächelte sie. »Wie oft hat man schon Gelegenheit zuzusehen, wie Götter geboren werden?«
    Diesmal war die Schwärze von Formen erfüllt, mit Spitzen und Pranken und Fängen, mit Hörnern hoch wie Türmen und Augen wie trüben, dunklen Seen. Die Finsternis schien näher an sie heranzurücken, wie ein Stück Stoff, das von fern herantrieb und sich über ihre Augen legte, durch sie eindrang und sich an ihrem Hirn festsaugte, es erstickte.
    Und dann wurden die Formen zu Stein, die Hörner und Zähne und Klauen zu Fels.
    Wieder die graue Lavalandschaft, öde und lebensfeindlich. Ein Sturmwind peitschte die bizarren Kuppen, fuhr durch Schrunde und Risse, pfiff über messerscharfe Kämme und die Gipfel gezahnter Klippen im Nirgendwo.
    Da standen ein Mann und eine Frau, standen sich lauernd gegenüber. Die Frau trug Schwarz. Ihr langes Haar verdeckte ihr Gesicht. In ihrer Hand hielt sie einen Strick, und an dem Strick einen mächtigen Stier.
    Sie gab dem Stier einen Befehl, und er stürzte sich auf den Mann, mit seiner ganzen Kraft; tobender Zorn hinter glühenden Augen.
    Der Mann zog ein Schwert und erschlug den Stier. Wie ein Wahnsinniger wühlte er in den Gedärmen des Tiers und zerrte das Herz hervor. Rot und frisch wie eine Blume legte er es der Frau zu Füßen. Es pochte noch immer, dort unten im Schmutz.
    Das Bild löste sich auf und wurde zu einem anderen.
    Der Mann saß allein am Ufer eines Sees. Seine Kleider waren zerrissen von zahllosen Kämpfen, und der Staub seiner Reise bedeckte ihn von Kopf bis Fuß, sodass er selbst aussah wie ein Gebilde aus Lavagestein.
    Er hielt ein Bündel in Händen, zögerte eine Weile und öffnete schließlich den zugezurrten Verschluss. Vorsichtig zog er etwas hervor, ein Knäuel aus Halmen und schwertförmigen Blättern, beides von einem solchen Grün, dass sie in diesem grauen Land, an diesem grauen Mann wie etwas ganz und gar Fremdes wirkten, ein greller Farbklecks inmitten ewiger Dämmerung.
    Der Mann wog das Kraut in der Hand, roch daran, berührte mit einem Blatt seine Zungenspitze und schob es dann zurück in sein Bündel. Mit wehmütiger Miene zog er das Band zu und legte den Beutel auf einen Stein.
    Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, eine reglose Statue in der Einöde. Dann beugte er sich vor, schöpfte mit beiden Händen Wasser und trank. Er spritzte sich Wasser über Gesicht und Schultern, bis der Staub in dunklen Bächen über seine bronzefarbene Haut rann und ihm bewusst machte, wie schmutzig er war. Da erhob sich der Mann und stieg mit seinen zerrissenen Kleidern ins Wasser, um sich zu reinigen.
    Eine Spalte im Lavafels erwachte zum Leben. Das schmale Band aus Dunkelheit wurde zu schuppigem Fleisch, länger als der

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