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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gedrungen.
    Plötzlich sah sie ihn in einiger Entfernung näherkommen. Das Geräusch seiner Schritte hallte von den hohen Wänden wider.
    »Damals ist es mir gelungen, ein Zugsystem aus Darmsaiten zu entwickeln, das meine Schöpfungen bis ins kleinste Glied beweglich machte. Da wusste ich, dass ein neues Zeitalter des künstlichen Menschen angebrochen war. Die Euphorie, die ich empfunden habe, war unbeschreiblich. Aus einem Suchenden war endlich ein Schöpfer geworden.«
    Aura wich nicht zurück, aber ihr ganzer Körper spannte sich.
    Ein feines Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Die Brille saß schief auf seiner Nase, das linke Auge blickte halb über den Rand des runden Glases hinweg.
    »Ich nenne sie die Geburtlosen.« Einige Meter vor ihr blieb er stehen. »Ich bin nicht so vermessen, in ihnen meine Kinder zu sehen. Nicht einmal in der kleinen Galathee, obwohl sie mir einmal näher war als all die anderen. Soll ich Ihnen verraten,
weshalb sie eine Puppe bei sich trägt? Ich habe sie an ihre Hand genäht, und ich glaube, manchmal zieht und zerrt sie daran, aber niemals, wenn ich hinsehe. In der Antike brachten die jungen Mädchen vor ihrer Hochzeit ihre Lieblingspuppe der Aphrodite als Opfer dar, damit die göttliche Macht ihnen die Kraft gäbe, zu guten, starken Müttern zu werden.« Er ließ Aura nicht aus den Augen, wirkte aber nicht feindselig, sondern wie jemand, dem es ein Bedürfnis war, sich zu erklären. »Ich wollte Galathees Puppe opfern, sobald es mir gelänge, eine neue Generation von Gliederkindern herzustellen, noch perfekter als sie. Das hätte die Kleine in gewisser Hinsicht zu ihrer Mutter gemacht, nicht wahr?«
    »Aber dieser perfekte Automat ist Ihnen nie gelungen.« Aura maß insgeheim Fluchtwege ab, Entfernungen, Angriffswinkel. Mit den Jahren hatte sie gelernt, wie wichtig es war, die Situation zu kontrollieren, stets einen Ausweg zu kennen oder aber den besten Augenblick für eine Attacke.
    Severin nickte bedächtig. »Deshalb trägt sie die Puppe auch heute noch. Das Opfer hat nie stattgefunden. Galathée — nein, die Idee einer Galathee ohne jeden Makel — ist nie zur Reife gelangt. Ich bin einfach nicht gut genug. Ich werde immer ein Stümper bleiben, ein Schöpfer von Fehlerhaftem, Verkrüppeltem, von Unvollkommenem.« Er lachte leise. »Genau wie Gott.«
    »Aber Gott liebt seine Kreaturen.« Aura hörte sich Unfug reden, aber sie wollte Zeit gewinnen, um herauszufinden, ob er ihr gefährlich werden konnte.
    »Auch ich liebe sie, wenn sie ihre ersten Schritte tun. Natürlich liebe ich sie! Warum hätte ich der Kleinen sonst diesen Namen gegeben? Sie kennen doch die Legende von Pygmalion?«
    »Er war ein Künstler im alten Griechenland. Und ein verbitterter Frauenhasser.« Pygmalion hatte die Frauen verachtet, weil er von ihnen enttäuscht worden war. Aber weil die Gedanken an sie ihn nicht losließen, erschuf er aus Elfenbein eine
Statue, die sein Bild der idealen Frau verkörperte. Er entbrannte in wahnhafter Liebe zu ihr und gab ihr den Namen Galatea. Doch da ihm bewusst war, dass ein Mann keine Statue lieben durfte, flehte er Aphrodite im Gebet an, ihm möge eine Frau aus Fleisch und Blut begegnen, die ebenso schön sein sollte wie sein Kunstwerk aus Elfenbein. Aphrodite machte sich einen Spaß daraus, den verzweifelten Pygmalion zu verhöhnen, und als er in seine Werkstatt zurückkehrte und den kalten, harten Körper Galateas streichelte, erwachte sie zum Leben und ließ ihm keine andere Wahl, als an ihrer Seite zu bleiben und Kinder mit ihr zu zeugen.
    »Der Unterschied ist, dass Ihre Schöpfungen künstlich sind, Severin. Sie sagen es ja selbst – sie sind die Geburtlosen. Pygmalions Galatea dagegen hat einen lebenden Sohn zur Welt gebracht.«
    »Paphos«, bestätigte er. »Aber es ist nicht überliefert, ob Pygmalion sich diesen Sohn gewünscht hat oder ob er nur ein weiteres Mittel Galateas war, um ihren Schöpfer für immer an sich zu binden. Hätte Pygmalion die Macht besessen, sich ein eigenes Kind aus Elfenbein zu schnitzen und zum Leben zu erwecken, so hätte er es wohl getan.« Severin legte den Kopf ein wenig schräg, während er Aura musterte. »Sagen Sie selbst – wäre es nicht wundervoll, wenn wir uns unsere Kinder wie Statuen selbst erschaffen könnten? Ganz nach unserem Willen, bis in die Haarspitzen so, wie wir sie uns wünschen? Würde das unser Leben nicht viel einfacher machen?«
    »Nein!«, rief sie wütend aus. »Weil wahres Leben Selbstbestimmung

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