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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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die linke ist als nächste dran. Danach steche ich ihnen mit den Ecken des Bucheinbands die Augen aus.«
    Ponti riss den Mund auf, um loszubrüllen, aber Gillian ergriff die Hand mit den gebrochenen Fingern, zwang sie zu einer Faust zusammen und schob sie Ponti mit Gewalt zwischen die
Kiefer. Vielleicht hätte er ohnehin keinen Schrei zustande gebracht, aber so war es kaum mehr als ein Stöhnen.
    Danach packte Gillian Pontis umhertastende Linke und schlug sie flach auf den Boden. Er ließ den rechten Arm des Mannes los, runzelte die Stirn, als es Ponti nicht gelang, die Faust aus eigener Kraft aus dem Mund zu ziehen, und half ihm vorsichtshalber dabei, damit er ihm nicht zu früh erstickte.
    Der Bibliothekar schnappte nach Luft.
    Gillian ließ das Buch aufrecht auf die Finger der linken Hand herunterkrachen. Vorn am Zeigefinger platzte das Nagelbett und verspritzte Blut wie der Halsstumpf eines geköpften Huhns. Ein paar Knochen barsten.
    »Als Nächstes«, erinnerte Gillian ihn höflich, »die Augen.«
    Ponti wimmerte und verfiel in Schnappatmung. Gillian versetzte ihm eine Ohrfeige.
    »Hat sich Ihr Auftraggeber persönlich an Sie gewandt?«
    Pontis Blick drohte zu brechen, aber Gillian bediente sich eines alten Tricks und kniff ihm kraftvoll mit den Fingernägeln in die Nasenscheidewand. Die fühlte sich an wie püriert, aber der Schmerz hielt Ponti bei Sinnen.
    »Mittelsmänner ... zwei.«
    Jemand hatte gehörigen Aufwand betrieben, um an Gillian heranzukommen. Er hatte sich Pontis Verrat einiges kosten lassen, außerdem die Mittelsmänner bezahlt, schließlich den Professor in Paris entlohnt. Und wofür das alles? Gillian würde es erst erfahren, wenn er zum Beginn der Befehlskette vorgedrungen war.
    »Wann haben die Sie zum ersten Mal angesprochen?«
    »August ...« Pontis Pupillen rutschten unter die Lider, kehrten aber nach mehrmaligem Blinzeln zurück. »Alles ... schnell gehen, haben die ... gesagt.«
    Gillian legte das blutgetränkte Buch auf Pontis Brust, als wäre das der Auftakt zu einer weiteren Maßnahme. Die Vorstellungskraft
des Bibliothekars brachte das augenscheinlich auf Hochtouren.
    »Bitte«, flehte Ponti, »nicht ...«
    »Diese Mittelsmänner, waren das Italiener?«
    »Deutscher Akzent ... beide.«
    Gillian legte die Stirn in Falten. »Deutsche?«
    Ponti rollte den Schädel von einer Seite zur anderen. Gillian fürchtete schon, es wären Spasmen. Dann erkannte er, dass es ein Kopfschütteln sein sollte.
    »Österreich«, stöhnte der Bibliothekar.
    Gillians Augen verengten sich. »Aus Wien?«
    »Ja ...«
    »Ist da noch was, das Sie mir sagen wollen, Signore Ponti?«
    »Töten ... mich nicht ...« Die Augen des Mannes waren halb versunken in Blut und Tränen.
    Wien, natürlich. Gillian hatte sich dort eine Menge Feinde gemacht, Freunde und Verwandte von Männern, die er in Lysanders Auftrag beseitigt hatte. Aber erinnerte sich nach einem Vierteljahrhundert noch einer von ihnen an ihn? Wie hatten sie in Erfahrung bringen können, dass er sich mittlerweile in Venedig aufhielt? Eine Verkettung von Zufällen, vielleicht. Unwahrscheinlich, aber möglich. Gegen das Altern war Gillian immun, nicht gegen das Schicksal.
    Lysanders Unterweltimperium war 1899 zerfallen und unter den übrigen Verbrecherbossen der Stadt aufgeteilt worden. Einer von ihnen, der mit Gillian eine Rechnung offen hatte, mochte mittlerweile mächtig genug sein, um seine Fühler über Wien und Österreich hinaus auszustrecken.
    Aber warum der Verweis auf die Familie Institoris in der Akte? Gian hatte ihm davon erzählt. Wer auch immer Gillian dort eingeliefert hatte, war über seine Verbindung zu Aura im Bilde gewesen. Gewiss, sie waren damals gemeinsam in Wien gewesen, in den Katakomben der Hofburg. Eine Menge Leute
hatten Aura dort gesehen, nicht zuletzt die Fettfischer. Mit ein wenig detektivischem Talent mochte es jemandem gelungen sein, Gillians Spur bis zum Schloss Institoris zurückzuverfolgen. Aber hätte die Fährte dort nicht enden müssen?
    Zu viele Fragen, auf die wohl auch Ponti keine Antworten kannte.
    »Ich brauche Sie jetzt nicht mehr«, sagte Gillian.
    »Bitte ...«, stammelte der Bibliothekar erneut.
    »Der fünffache Preis ist eine Menge Geld.«
    Ponti heulte wieder. Rosafarbenes Blutgemenge floss aus seinen Augenwinkeln.
    »Sie haben nicht mal Familie.« Gillian strich Ponti sanft übers Haar. »Keine Kinder, keine Frau.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Und nun das. Wirklich eine dumme Sache, in die

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