Die Alchimistin 03 - Die Gebannte
Wert darauf, dass alles, was wir tun, wirklich wichtig klingt.«
»Seriös.«
»Seriös und wichtig.«
Aura war den beiden zum ersten Mal im Sommer 1914 begegnet; im Pariser Apartment der Schwestern war ihr die Schwarze Isis erschienen, die sich später als die Unsterbliche Innana entpuppt hatte. Einige Wochen darauf hatte sie ihnen in Santiago de Compostela einen Besuch abgestattet, auf ihrem Weg nach Sintra, dem portugiesischen Domizil der Institoris. Sie und die Kaskadens waren nie enge Freundinnen gewesen,
aber etwas an der schrulligen Art der beiden fand sie durchaus liebenswert.
Die Schwestern mussten mittlerweile Ende dreißig sein. Das goldblonde Haar hatten sie unter den Hüten hochgesteckt, hier und da schaute eine Strähne hervor. Auch im Herbst waren ihre Stupsnasen noch voller Sommersprossen, genau wie ihre Handrücken. Wahrscheinlich hätten sie sich vor Verehrern gar nicht retten können, wäre da nicht die unkomfortable Kleinigkeit gewesen, dass die Schwestern unzertrennlich waren.
Lucrecia fragte wie beiläufig: »Sagen Sie, was ist aus dem Chevalier geworden?« Sie meinte Konstantin, der zeitweilig als Chevalier Weldon in Paris gelebt und die spiritistischen Dienste der Kaskadenschwestern in Anspruch genommen hatte. Lucrecia hatte ihm schöne Augen gemacht und es nie so recht verwinden können, dass Konstantin Aura den Vorzug gegeben hatte.
»Er reist viel.« Aura wusste sehr wohl, dass das nicht die Antwort war, die Lucrecia hören wollte. »Quer durch Europa, so wie es die politische Lage gerade erlaubt. Er arbeitet an einem Buch über die Geheimnisse der großen Kathedralen.«
Lucrecia überspielte ein Luftschnappen mit einem angedeuteten Stolpern auf dem Kopfsteinpflaster. »Dann müsste er in Santiago gewesen sein.«
»Ich bin sicher, er hätte Ihnen einen Besuch abgestattet, hätte er Sie dort noch angetroffen. Wann haben Sie Spanien verlassen?«
Salome kam ihrer Schwester zuvor: »Vor ein paar Jahren. Eine Weile ist es uns dort nicht schlecht ergangen. Die Pilger geben gerne Geld aus für alle möglichen Torheiten, und wer es durch die Berge bis nach Santiago geschafft hat, der kann meist auch zu einem Zwiegespräch mit den lieben Verstorbenen nicht Nein sagen.«
Ihre Schwester rümpfte die hübsche Nase. »Wenigstens nach außen hin könntest du ein bisschen Respekt zeigen.«
»Ach, hör mir auf mit Respekt. Kaum sind die Leute hinüber,
werden selbst die Langweiligsten zu unerträglichen Plaudertaschen.« Salome rollte mit den Augen. »Man sollte meinen, dass gerade sie den heiligen Sonntag respektieren, dort, wo sie jetzt sind, aber von wegen. Sie reden und reden, und man kann ihnen nur mit aller Strenge und Entschiedenheit Einhalt gebieten. Versuchen Sie mal, ein Buch zu lesen, wenn zehn Leute gleichzeitig aus dem Äther auf Sie einreden! Oder Sie sitzen in einem Restaurant, denken an nichts Böses, und plötzlich tropft Ihnen das Ektoplasma aus der Nase aufs Bœuf Stroganoff.«
Aura hatte sich nie so recht überzeugen lassen, dass die Kaskadenschwestern trotz eines unbestrittenen Talents für Hypnose und forcierte Halluzination tatsächlich in der Lage waren, die Geister Verstorbener heraufzubeschwören. Fraglos verstanden sie sich darauf, eine tadellose Show abzuliefern. Auch vermochten sie einen Menschen in Windeseile in Trance zu versetzen; Aura selbst hatte sich dadurch Innanas Visionen öffnen können. Aber Zwiesprache mit den Toten? Allein schon die Tatsache, dass es die beiden zu einer Zeit nach Prag verschlagen hatte, in der hier mit Spiritismus aller Art ein Vermögen zu machen war, erregte ihren Argwohn.
Sie hielt sowohl Lucrecia als auch Salome für gewiefte Geschäftsfrauen, die clever genug waren, mit einem Hauch von Übersinnlichem und einem gewissen Verständnis für Parapsychologie selbst die ärgsten Skeptiker in ihren Bann zu ziehen. Dass sie in Nebelgewaber und Lichterhokuspokus noch bezaubernder aussahen, war ihrem Erfolg bei der reichen Kundschaft gewiss nicht abträglich.
»Es war doch kein Zufall, dass Sie zwei mitten in der Nacht auf der Schlossstiege aufgetaucht sind, oder?«
»Selbstverständlich nicht«, entgegnete Lucrecia.
»Wir haben Sie gesehen«, ergänzte Salome. »Letzte Nacht im Traum, wir beide.«
»So?«
»Dass Sie auf dem Kutschbock des braven Balthasar durch die Stadt geschaukelt sind, mag eine gewisse unbewusste Beschäftigung unsererseits mit Ihnen ausgelöst haben«, erklärte Lucrecia auf jene gestelzte Weise, mit der sie gern
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