Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
Vom Netzwerk:
sich wieder ändern, denn auch der Inhalt, mit dem das Wort »Stiftung« gefüllt wird, hat seit der Antike mehrere Neudefinitionen erlebt: Maecenas, Stammvater aller Stifter, stammte selbst aus uraltem etruskischen Adel. Er war reich, nach heutigem Maßstab ein Millionenerbe; als Politiker war er nicht weniger unbrauchbar denn als Literat. Diese Beschränkung zur Kenntnis genommen und daraus die richtigen Schlüsse gezogen zu haben, ist noch heute als seine Primärtugend zu loben. Denn Maecenas verlangte für seine Unterstützung anderer Künstler keine Gegenleistung – mit Ausnahme der einen: Er war anfällig für das Lob des Kaisers Augustus. Wer ihm das verschaffen konnte, konnte sich seiner Unterstützung sicher sein.
    Durch das Christentum bekam das nach dieser antiken Vaterfigur benannte Mäzenatentum eine neue Dimension. Das Gebot der Nächstenliebe forderte von den Stiftern gute Taten – vor allem für die Minderbemittelten, die Kranken und Waisen. Dem Seelenheil konnte solche Mildtätigkeit nur zuträglich sein. Ein Handel mit Gott, für den der Florentiner Bankier Cosimo de Medici sogar ein »conto per Dio« anlegte: mit Einzahlungen für mildtätige Zwecke. Aber schon mit Beginn der Neuzeit verlagerte sich der Aspekt noch mehr auf Hilfe zur Selbsthilfe: Eine soziale Einrichtung, wie sie etwa ein Jakob Fugger in Augsburg organisierte, ist bis heute beispielhaft. Fugger entwickelte den Prototypen des sozialen Wohnungsbaus (die nach ihm benannte »Fuggerei«). Ein Handelsherr mit Weitblick, der begriffen hatte, daß man seinen Leuten auch geben muß, um sie richtig arbeiten zu lassen.
    Nicht ohne Interesse ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß in den Herzländern des katholischen Glaubens allgemein das Stiftungswesen schwächer ausgeprägt war: Die Hauptlast der Caritas trug die Kirche selbst. Ob die gläubigen Katholiken Karl und Theo Albrecht dereinst in den Schoß der Kirche entsprechend nackt oder mit einem erheblichen Spendensäckel angetan zurückkehren, das wäre eine Marienerscheinung wert.
    Nach dem Zeitalter der Aufklärung verschiebt sich das Motiv der Spender mehr ins Weltliche hinein, auf den Fortschrittsgedanken, auf das Vorankommen der Menschheit insgesamt. Bürgersinn zeichnet vor allem die großen amerikanischen Mäzene wie Rockefeller, Getty oder Ford aus, die sehr wohl nach der Maxime »Tue Gutes und rede darüber« agierten. Neuester und bislang unbestritten höchster Höhepunkt dieser Reihe öffentlicher Gutmenschen ist der amerikanische Medienunternehmer und CNN-Gründer Ted Turner. Der hatte seinen erfolgreichen Nachrichtenkanal an den weltgrößten Medienkonzern Time Warner verkauft – und dafür elf Prozent der Aktien des Branchenriesen (plus einen Sitz als Vizepräsident) erhalten –, was zum Zeitpunkt der Übernahme einer Summe von 2,2 Milliarden Dollar entsprach. Die Aktie brummte dermaßen, daß Turner innerhalb von nur neun Monaten eine Milliarde Dollar (rund 1,8 Milliarden Mark) dazuverdiente. Diese Summe gibt er nun zehn Jahre lang in jährlichen Happen von 100 Millionen Dollar an die Vereinten Nationen, damit sie Impfkampagnen, Flüchtlingshilfe oder ökologische Rettungsmaßnahmen durchführen können. Wie es der Amtsschimmel so will, der auch am East River wiehert, haben die Vereinten Nationen alle Mühe, die Spende in ihren Haushalt zu überführen. Ein Buchungsproblem.
    Turner, der auch schon vor dieser Aktion ein großzügiger Spender vor allem für Umweltorganisationen gewesen war, begründete seinen Schritt lapidar so: »Ich gebe (…) nur den Verdienst von neun Monaten her. Keine große Sache. Ich bin nicht ärmer als vor neun Monaten, und der Welt geht es viel besser.« Ihm selbst, also seinem stark ausgeprägten Ego, dürfte es auch bessergehen: Er hat mit seiner größten jemals geleisteten Einzelspende alle möglichen Konkurrenten in Sachen Wohltätigkeit weit hinter sich gelassen. Der Börsenspekulant George Soros mit seiner vergleichsweise geringfügigen 350-Millionen-Dollar-Spende für Osteuropa sieht neben Turner wie ein Waisenknabe aus. Er investiert in Ausbildung und unterstützt vornehmlich den Aufbau von Universitäten und anderen Bildungsstätten. Daß Turners Spende beinahe die Dimension des Schuldenbergs erreichte, mit welchem die USA anno 1997 bei den Vereinten Nationen in der Kreide stand, gab der Aktion nebenbei eine sehr politische Dimension. God bless America.
     
     
    Mit zunehmender Durchdringung des Gemeinwesens durch staatliche

Weitere Kostenlose Bücher