Die Aldi-Welt
Geschäftsführung Würth auch für die Zeit nach seinem Abgang geordnet haben wollte. In einem komplizierten Verfahren, das abzuschließen acht Jahre dauerte, regelte Würth die Geschäfte so, daß der Konzern von fünf in Deutschland (und einer in der Schweiz) ansässigen Familienstiftungen kontrolliert wird. Ein Aufsichtsrat aus fünf Personen – in allen Stiftungen dieselben Leute – kontrolliert das Unternehmen: drei hat Würth testamentarisch bestimmt, zwei entsenden seine Nachkommen. Auf diese Weise hat Würth – so paradox es zunächst klingen mag – das florierende Familienunternehmen vor dem Zugriff der Familie geschützt. Es sei eine unerfreuliche Tatsache, klagte der Unternehmer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, daß viele Firmen in der dritten oder vierten Generation veräußert werden müßten, indem ihnen über die Maßen Liquidität entzogen würde, weil einzelne Familienmitglieder »Kasse machen« wollten. Würths Stiftungsmodell sieht für Verwandte die Mitwirkung im Management durchaus vor, sofern »guter Wille, Einsatzfreude, gesunde Strebsamkeit und Lernbereitschaft« erkennbar seien. Ansonsten ist der Zugriff auf das Unternehmen für Familienmitglieder versperrt. Die Nachfahren müssen sich dennoch finanziell kein Kopfzerbrechen machen: Sie mußten zwar auf Erb- und Pflichtteil vorab verzichten, wurden aber großzügig durch die Familienstiftungen abgesichert.
Ein ähnliches Modell scheinen sich auch die Brüder Albrecht zurechtgeschneidert zu haben. Die Wirtschaftwoche zitierte 1992 einen Vertrauten Theo Albrechts mit der Aussage, per Stiftung solle verhindert werden, »daß die Junioren das eindrucksvolle Denkmal verscherbeln«. Kein Zufall: Der Vorstand der Siepmann-Stiftung heißt auf Lebenszeit Theo Albrecht.
Fachleute sind sich einig, daß mit diesen Stiftungen prima Geldtransfers verschleiert und Steuern gespart werden können. Die Siepmann-Stiftung beispielsweise ist mit rund 150 Millionen Mark der größte Kommanditist der Mülheimer Aldi Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG; Karls Frau Maria besitzt eine eigene Stiftung: Die Maria-Albrecht-Stiftung ist mit 28 Prozent an der Buckenmaier GmbH Mülheim beteiligt, die wiederum als persönlich haftende Gesellschafterin der Mülheimer Aldi GmbH & Co. KG fungiert; und so immer weiter.
Über Stiftungen, die ihren Namen im Sinne des Gemeinwohls auch verdienen, wird noch zu reden sein; vorläufig läßt sich nur sagen, daß von den Stiftungen der Familie Albrecht nicht bekannt ist, ob sie sich in irgendeiner Weise gesellschaftlich verdient machen. Immerhin gibt sich die im schleswig-holsteinischen Nortorf ansässige Markus-Stiftung von Theo Albrecht einen Tick populistischer als die des Süd-Bruders: Sie spendierte der Gemeinde in den späten Siebzigern in der Vorweihnachtszeit jährlich einen Scheck in Höhe von 2000 bis 3000 Mark – für sozial schwache Bürger. Das ist tiefempfundene Nächstenliebe.
Für die Struktur des Firmenimperiums haben die Stiftungen eine zentrale Bedeutung: Sie halten die Mehrheiten an den verzweigten Regionalgesellschaften, Die Stiftungen gehören den Brüdern. Der Rest des Unternehmenspuzzles ist so kompliziert, daß selbst ein Branchenblatt wie die Wirtschaftswoche, das an sich mit viel Insiderwissen und Akribie zu Werke geht, ab und an nicht mehr ganz durchblickt. Da tauchen etwa in Nebensätzen der Branchenpresse ominöse Firmen wie die Fenten GmbH und die Mahlberg GmbH auf, deren einziges Ziel die Verwaltung des eigenen Vermögens sei. Da gibt es neue Seitenäste durch die Gründungen weiterer Gesellschaften unter der Ägide der Söhne Theo jun. und Bertold. So ist das Imperium in den achtziger Jahren noch verzweigter geworden. Und die Brüder und ihre Sippen konnten in diesem Gewirr aus Ästen so frei schalten und walten wie Calvinos Baron auf den Bäumen, der auch eines Tages beschloß, nicht mehr auf den Boden zurückzukehren.
Feststellen läßt sich zumindest, daß sich die Konzernstrukturen – Süd- wie Nordgruppe – wie ein Ei dem anderen gleichen. Das hat – wie auch anders? – selbstverständlich finanzielle Gründe. Der Essener Notar Ronkel darf beider Brüder Geschäftstätigkeit beurkunden. Das senkt Kosten und schafft doch Verbindlichkeiten. Zum Dank durfte Ronkel bei der Aldi GmbH & Co. KG in Würselen neben Karl Albrecht eine Million Mark des Kommanditkapitals zeichnen. Und der Nord-Bruder verlieh dem tüchtigen Notar Sitz und Stimme in der
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