Die Aldi-Welt
Unternehmen in der von deutschen Übernahmen nicht gerade verschonten Alpenrepublik.
Die Dänen, die sich bei der europäischen Vereinigung so unelegant quergelegt haben, ließen auch Theo Albrecht gegenüber die Muskeln spielen. Dänische Zeitungen schockierten Anfang 1984 ihre Landsleute mit Schlagzeilen wie »Das ist der Deutsche, der euch beherrscht«. Der Anlaß war eine Untersuchung des Kopenhagener Monopolaufsichtsamtes, das festgestellt hatte, der deutsche Lebensmittelgigant habe nach fünf Jahren Dänemark-Präsenz bereits einen Marktanteil von fünf Prozent (und einen Umsatz von 200 Millionen Mark). Theo reagierte gelassen – und preiswert. Er ließ auf die Fenster der dänischen Aldi-Filialen – von Schaufenstern zu sprechen, wäre übertrieben – Plakate folgenden Inhalts kleben: »Aldi versteht sich in Dänemark als dänisches Unternehmen.« Punkt. Und wem das nicht reichte, sah sich auf eine Erklärung Theo Albrechts verwiesen, der den Dänen bedeutete, ihre immensen Exporterfolge Richtung Deutschland hingen nicht zuletzt ursächlich mit Aldis segensreichem Wirken dortselbst zusammen.
Man muß vielleicht in diesem Zusammenhang an Image-Reparatur-Kampagnen der jüngeren Vergangenheit denken, um ermessen zu können, mit welch unterkühlter Nonchalance (oder nennen wir es Abgebrühtheit) der Discountkönig solche Invektiven an sich abtropfen ließ. Was hat der Öl-Multi Shell nicht alles unternommen, um sein durch die Ausbeutung des nigerianischen Ogoni-Landes arg ramponiertes Image wieder aufzupolieren? In wie schlechtem Licht stand der Konzern da, als der regimekritische Dichter Ken Saro-Wiwa von eben jenen Zeloten hingerichtet wurde, mit denen Shell seit Jahrzehnten gute Geschäfte gemacht hatte? Da wurden deutsche Journalisten flugs hinein ins dunkle Herz Afrikas geflogen. Man setzte ihnen ein paar Potemkinsche Dörfer und einen Haufen wohlmeinender Einheimischer vor Laptops und Kameras. Die Berichte waren entsprechend. Dazu ganzseitige Anzeigen in sämtlichen großen deutschen Blättern, Reinwasch-Interviews mit dem Vorstandsvorsitzenden – genau wie im Falle Greenpeace versus Shell. Und obwohl die Greenpeace-Truppe im Kampf um Brent Spar die Gefahr, die von der schwimmenden Ölplattform ausging, deutlich übertrieben hatte, erlitt der Ölkonzern einen erheblichen Image- und Umsatzeinbruch. Bei Aldi erscheint eine solche mediale Bußaktion ganz ausgeschlossen. Red nicht, kauf, das ist die Botschaft; und wer sich beschwert, ist selber schuld.
Der amerikanische Bundesstaat Iowa zählt nicht gerade zu den touristisch attraktivsten Ecken des Kontinents. Daß sich Karl Albrecht ausgerechnet in den »Hawkeye State« – den Staat, der als Symbol das scharfsichtige Adlerauge führt – als Testgelände ausgesucht hat, zeugt von Weitsicht: 1979 machte sich der deutsche Discountkönig auf, von Iowa aus die neue Welt zu erobern. Er kaufte, ungewöhnlich genug, Anteile einer kleinen Lebensmittelkette namens Benner Tea of Iowa. Die Klitsche hatte lächerliche 25 Filialen und lief nicht so prächtig. König Karl betrieb die Umbenennung zu Aldi Benner, verfünffachte innerhalb von fünf Jahren die Zahl der Filialen und jubelte den Umsatz auf 200 Millionen Mark hoch. Hier wurde erstmals der Weg der Aldisierung durch Beteiligung beschritten. Und während die offiziell Reaganomics genannte Wachstumslüge in die goldenen achtziger führte, etablierte sich am Bodensatz der Gesellschaft jener Ladentyp, der so gar nicht zu Amerika zu passen schien.
Denn gerade dort wurde Albrechts Discountidee anfangs eher mitleidig belächelt. Die Konkurrenz versuchte, das teutonische Schachtelgeschäft zu ignorieren. Im Land der opulenten Shopping-Mails, des freundlichen Einpackservice, in der Heimat der Dienstleistung, sollte dieser ärmliche Selbstbedienungsladen Kunden anziehen? Amerikaner sind an das »One-Stop-Shopping« gewöhnt, an einen Supermarkt, in dem sie alles kaufen können. In den uncharmanten Schachtelhöhlen von Aldi gab es weder die gewohnte Muzak-Berieselung noch Scanner an den Kassen, noch hilfsbereite Einpackhilfen. All dieses tat die Aldi-US-Pressestelle als »überflüssigen Firlefanz« ab. Immerhin: eine Pressestelle! Trotzdem war die Berichterstattung in den ersten Jahren mau. Erschwerend kam hinzu, daß ein Aldi-Zentrallager in der Nähe von Chicago Ende der achtziger Jahre für unliebsame PR sorgte: Die Food and Drug Administration beschlagnahmte von Ratten verseuchte Lebensmittel (im Wert von einer
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