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Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
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Macht wuchs dem Stiftungswesen ein regulativer Charakter zu. Überall dort, wo der Staat versagt, schaffen Stiftungen – von denen es derzeit rund 10000 in Deutschland gibt – Abhilfe. Andererseits hat sich der Grundgedanke bei manchem offensichtlich pervertiert. Der Poltergeist von Feldafing, Lothar-Günther Buchheim, forderte für seine Expressionistensammlung vom Freistaat Bayern wie selbstverständlich die Errichtung eines Museums plus die Übernahme der laufenden Kosten für Betrieb und Unterhalt. Daß das gesamte Museum nach ihm benannt würde, hat er naturgemäß als Selbstverständlichkeit angesehen. So verschwindet das Stiftungswesen hinter einer Konstruktion, die man auf gut neudeutsch »Private-Public-Partnership« nennt.
    Ein Blick auf zwei große Mäzene, die mit den potentiellen Stiftern Karl und Theo Albrecht die Zeitgenossenschaft gemein haben, kann die Unterschiede verdeutlichen. Der Wahlhanseat Kurt A. Körber hat sein Vermögen im Maschinenbau verdient. Als er 1992 starb, hatte er über 200 Millionen Mark für Kultur, Wissenschaft und Völkerverständigung gestiftet. Der in Hamburg weltberühmte Bergedorfer Gesprächskreis führt Wissenschaftler aus allen Ecken der Welt zum Dialog zusammen: Körber spendierte die Renovierung der Deichtorhallen, einem zentralen Kunstbau der nicht gerade überreich mit zeitgenössischer Kunst gesegneten Freien und Hansestadt. Was Körber aber, zunächst über das »rein Menschliche« hinaus, hier so interessant macht, ist die Tatsache, daß er – obgleich Jahrgang 1909, mithin fast eine Generation älter als die Albrecht-Brüder – erst nach dem Zweiten Weltkrieg darangehen konnte, sein Imperium zu errichten. Er fing buchstäblich nur mit einer Aktentasche voller Pläne an. Und er kam aus einfachen Verhältnissen. Joachim Fest hat in dem von ihm herausgegebenen Sammelband über Die großen Stifter darauf hingewiesen, »daß fast alle bedeutenden Stifter aus kleinen Verhältnissen kamen«. Gerade diese Herkunft sei es laut Fest gewesen, die einerseits zu »robuster Bedenkenlosigkeit« in der Umsetzung ihrer Ideen geführt habe; andererseits habe die Abstammung aus einfachen Verhältnissen offenbar ursächlich mit der »oftmals asketischen Lebensführung zu tun, an der viele selbst auf dem Gipfel ihrer Macht und ihres Reichtums festhielten.«
    Körber verbindet mit den Albrechts noch eine ganz handfeste Vorliebe: Er wollte um jeden Preis unabhängig vom Geld der Banken sein. So wie sich Aldi stets geweigert hat, durch Ankäufe zu wachsen, so hat Körber Fremdfinanzierungen mit den Worten abgelehnt: »Der Anreiz, mit eigenen Ersparnissen unabhängig zu bleiben, das heißt einerseits, riskanter zu leben, aber andererseits die Chance zu haben, mehr zu verdienen, bewirkt die Suche nach Marktlücken, stimuliert die Erfindungsgabe und löst zusätzliche Produktionsimpulse aus.« Das hätte, theoretisch, von einem der Albrecht-Brüder stammen können, wenn sie »aus grundsätzlichen Erwägungen« es stets vorgezogen hätten, zu schweigen.
     
     
    Bei näherer Betrachtung gibt es zwischen den Brüdern Albrecht, Kurt A. Körber und einer weiteren großen Stifterfigur der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte, Reinhard Mohn, ganz erstaunliche Parallelen. Mohn gründete 1977 die Bertelsmann-Stiftung. Auch er kam aus der Kriegsgefangenenschaft zurück, auch er begegnete 1947 Trümmern und Hoffnungslosigkeit. Fünfzig Jahre später hatte dank Mohns tatkräftigem Einsatz das »Haus Bertelsmann« (interne Bezeichnung) den Sprung zum drittgrößten Medienkonzern der Welt geschafft, Konzernumsatz 24 Milliarden Mark. Mit den Albrechts verbindet ihn zunächst wieder die Ausgangslage in der Nachkriegszeit – und die wohl aus dieser Zeit gerettete Erdung für die Anliegen der sogenannten einfachen Leute: Mohn sitzt heute noch lieber in der Kantine bei den Fahrern und Pförtnern, aus dem einfachen Grund, weil er dort sehr viel mehr über die Stimmung und Verfassung seiner Leute erfährt, als von den Managern, die in der hauseigenen Retorte herangezüchtet werden.
    Aber Mohn hat gleichzeitig mit seiner glühenden Leidenschaft, stets noch besser zu werden, eine Denkmaschine angeworfen, die Resultate zeitigte. Die Bertelsmann-Stiftung zählt heute zu den wichtigsten Institutionen ihrer Art weltweit. Sie arbeitet (mit erheblichen Finanzmitteln ausgestattet) vordenkerisch für bessere Arbeitsorganisation, Mitbestimmung, Effizienz, die nicht auf Kosten des human factors geht Mohn fühlt sich

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