Die Aldi-Welt
Million Dollar) und brachte die Aldi-Läden wegen mangelnder Hygiene ins Gerede. Da die Amerikaner in Sachen Hygiene annähernd so stark zur Hysterie neigen wie die Japaner, schlug die Stimmung schnell gegen die Aldi-Läden um, in denen – wie die Lokalpresse berichtete – kaum je ein Mitarbeiter mit Putzeimer und Lappen gesichtet werde. Aldi saß die negative Stimmung aus und etablierte sich im Gegenzug in Chicago als attraktiver Billigladen. So verläuft das Amerikaengagement eher auf leisen Sohlen. Der Aldisierungs-Druck wächst langsam, aber beständig. In Pennsylvania existiert bereits ein riesiges Zentrallager (eins von neun; Stand 1992), das gut und gerne 30 Ostküsten-Filialen versorgen könnte. Natürlich ist die Gesamtzahl der US-Filialen nicht bekanntgegeben worden. Das Imperium schiebt seine Grenze wie auf einem stetigen Treck nach Osten voran; in umgekehrter Richtung wie die Pioniere des 19. Jahrhunderts das taten. Die new frontiers liegen in den europäisch geprägten Ballungsräumen der Ostküste.
Sepp Herbergers unterbelichtetes Philosophen! »Der Ball ist rund« ist den schlichten Wahrheiten des Karl Albrecht auffällig nah. Der sagte zu seinem US-Engagement nur den einen, den einzigen überlieferten Satz: »Gegessen wird immer, auch in Amerika.« Dagegen ist schwer anzugehen. Wo er recht hat, hat er recht. Und also zog er mit seinen Aldi-Benner-Filialen in die scheußlichen Vorstädte, in die Suburbs des unteren Drittels der Gesellschaft. Die Siegertypen dort waren offensichtlich froh über die billige Aldi-Konserven, je tiefer sie im Schlagschatten des American dream lebten. Daß eine reiche Nachbarschaft bei Aldi unbedingt erwünscht ist, zeigt sich etwa am Beispiels Polens. Dorthin wird Aldi nach momentanem Stand der Wirtschaftslage nicht expandieren – es fehlt die wohlhabende Gegenkultur.
Amerika ist zu groß, um es allein Karl zu überlassen, denkt Theo – und macht den Schritt über den sogenannten großen Teich, und sei’s auch nur, um dort überschüssiges Geld unterzubringen. Der Nordbruder kauft sich im Staate Idaho ein. Nicht er, sondern die Markus-Stiftung aus Nortorf, naturgemäß. Elf Prozent beträgt deren Beteiligung an der Supermarktkette Albertsons Inc. Das ist im Vergleich zu Benner ein ziemlich großer Brocken, denn Albertsons ist in 18 Bundesstaaten vertreten, 400 Filialen erwirtschaften einen Umsatz von vier Milliarden Mark – die sechstgrößte amerikanische Supermarktkette. In diesem für die Aldi-Brüder goldenen und aufregenden Jahr 1984 besucht Theo auch die Hauptversammlung von Albertsons Inc. – und wird prompt vom Albertsons-Topmanager Robert D. Bolinder für »Klugheit und Geschäftssinn« gelobt.
Wer sagt denn, daß es immer nur Dosenware sein darf? Aldi kann auch anders – und scheint gerade auf den Auslandsmärkten überraschend flexibel zu sein. Da wird das Konzept schon mal den lokalen Gegebenheiten angepaßt, während daheim sich eher der Kunde verbiegen muß. Sogar Abstecher in die Welt der Delikatessen haben im Aldi-Reich ihren Platz. Das beweist das Albrechtsche Engagement in einer Kette, die so ganz anders als das Stammhaus ist: Trader Joe’s. Dieses Geschenk von Theo an seine Söhne hat sich zu einer Kultbude entwickelt. Es liefert Delikatessen, Bio-Gourmet-Ware – worunter in Amerika auch biologisch einwandfreie Nahrung gemeint ist – zu Discountpreisen, ab Palette. Zunächst nur an der Westküste situiert (83 Filialen mit rund einer dreiviertel Milliarde Dollar Umsatz), ist Trader Joe’s gerade auf dem Sprung, die Ostküste zu erobern. Die Kette verknüpft den germanischen Discountgedanken mit der amerikanischen Vorliebe für the real stuff: Im Angebot ungefähr auf ein Zehntel des üblichen Supermarktsortiments (20 000 Artikel) reduziert, hat sich Trader Joe’s eine geradezu fanatische Kundschaft herangezüchtet, die nicht davon lassen kann – vermutlich, weil die Waren bis zu 50 Prozent günstiger als bei der Konkurrenz sind. Die Kunden erhalten allmonatlich ein 24seitiges Magazin, das über Waren und Angebote informiert. Diese Preise sind natürlich das Ergebnis harter Verhandlungen mit selbstbewußten Erzeugern, die zwar gleich unter dem Label Trader Joe’s exklusiv für die Kette liefern, sich ihre Qualität auch sofort cash vergüten lassen (in Deutschland undenkbar, wie wir noch sehen werden). John Shields, der Geschäftsführer des in South Pasadena (Kalifornien) beheimateten Unternehmens, hat offenbar aus Deutschland
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