Die Aldi-Welt
Plastikgehäuse. Ist ja immer noch nichts durchgesetzt, was wirklich zum Mulch verfallen würde, muß MVAs füttern, weil die sich sonst nicht rentieren; sehr einseitig, so vereinfachen kann man das nicht… Komplexität von vernetzten Systemen… habe mich selbst davon überzeugt… beim Besuch einer solchen Anlage… es gibt im Moment nichts Besseres… die Filteranlagen lassen praktisch nichts mehr durch… So kippten sie um, die Herren Kommunalpolitiker. Und um das eigene Gewissen zu beruhigen, wurden alle Anstrengungen darangesetzt, für das nächste Gewerbegebiet einen internationalen Architektenwettbewerb auszulohen. Dessen Sieger schlug dann eine Parklandschaft mit Erholungszonen, üppig bepflanzten Schallschutzwänden und possierlichen Straßenleuchten vor. So dehnte sich dann ein weiteres ehemaliges Weizenfeld als Ortsschildbegleitgürtel aus, Flaggenparaden von Möbelcentern, Autohäusern, SB-Märkten, und wo noch in Kindertagen ein unbekanntes Land begonnen hatte, gähnte jetzt ein austauschbares Zonenrandgebiet, dem bloß die Wachtürme fehlten. Wachtürme? Wie war er bloß auf Wach-… träume: türmen träumen träume türmen, vielleicht doch noch Hirnnahrung mitnehmen, aber wie kommt der denn dazu, hier so superdoof nach vorne zu drängen, Wichtel, der. Heyheyhey, guter Mann, wollen Sie sich nicht – wie bitte? Wo es Kartoffelpüreepulver gibt? Ich? Äh-m-pfhh… tja, das weiß ich jetzt auch nicht so genau (Kaufe nie Kartoffelpüreepulver, woher soll ich das wissen!), vielleicht schauen Sie mal bei… weg. Davongefedert der Gockel mit seiner verdächtigen Freundlichkeit, oh, Gott, da kommt er schon wieder, strahlend, wippt herbei mit einer Tüte Kartoffelpüreepulver. Ich hab’s gefunden, danke trotzdem, sagt er. Ja, wofür denn? Ich habe doch gar nichts… Schon komisch, immer diese verschwitzten Lastminuteshopper, als wenn man bei Aldi irgend etwas dringender brauchte als Kontemplation. Verweile doch, du bist so schön. Diese gehetzten Birkenstockianer (ausgerechnet), völlig uncool, hier einen Schratzen im Schlepp, und dort quengelt einer herbei, jaja Jungfamilie, kein Geld, müssen nach Aldi, müssen das Muttertier in Leggings schlagen, weil ihnen eine höhere Macht befohlen hat, das Klischee zu erfüllen, und daheim wächst einstweilen das Zweifamilienhaus mit Doppelgarage und Car-Port in den Himmel… solides Mauerwerk… Holzfenster… Niedrigenergie plus Kachelofen… viel Eigenleistung… eh klar… und wenn der Opa nicht Elektriker wäre, wäre es sowieso nicht gegangen. Was ist das für eine Verschweinung, diese immer noch getragenen, enganliegenden Blumenstretchmusterbeine, wo ist die heilige Einsicht, nicht Sündy Crawford oder die Schifferin zu sein? Schläft die deutsche Spiegelindustrie? Es geht doch auch anders, na bitte, dort drüben, jenseits des Warenwalls, bei den geschälten Tomaten in Dosen, das bürgerliche Ehepaar: Sie dirigiert, er macht den Suchhund, Packer und Wagenchauffeur. Das Matriarchat siegt spätestens, wenn die Pension näherrückt, denkt der Kunde, der selbst immer ein glühender Verfechter des Matriarchats gewesen ist: einfach aus der Überlegung heraus, es werde sich langfristig als ‘ das stärkere Konzept erweisen. All diese Frauen, Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Mütter, Töchter, Witwen – typisch! kräht die Feminissima sogleich, typisch: immer die Definition über den Mann – egal, also alle die wunderbaren, rätselhaften, häßlichen, triebgesteuerten Zwangskäuferinnen, die unsere Marktwirtschaft durch permanente Stützkäufe am Leben halten – sind sie nicht die besseren Menschen? Schau dort drüben, denkt er wieder und kann den Blick nicht von dem Ehepaar nehmen, weil sie ihn ganz sentimental machen, irgendwie bundesrepublikanisch. Aldianer wie du und ich. Heimelige Fernseh- und Konsumwichtel, schön warm muß es in der Stube sein, ein Gläschen Wein (gerne auch Spätlese) für Mama, ein Bier für Papa, die Kinder aus dem Haus, der Gottschalk war nicht so besonders am Samstag, aber mein Gott, der Sommer war groß, der Garten ist bestellt, das Autilein steht frisch gewaschen in der Garage, der nächste Urlaub (im zweiundzwanzigsten Jahr Caorle, Hotel Venezia, Dreistern) ist gebucht, immer das eine gegenüber dem anderen… und da nickt sie, grüßt die Nachbarin, während er, von der ausladenden Vorwärtsbeuge leicht derangiert, das Hemd steigt vor Anstrengung aus der Hose, so daß für einen Augenblick der Gummizug der weißen Unterhose
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