Die Aldi-Welt
der heimliche Anschluß Österreichs sinnigerweise unter dem Firmennamen Hofer geschehen ist. Klingt ja auch besser als Schicklgruber. Aber Andreas Hof er, der Tiroler Freiheitsheld, war da nicht eine gewisse schicksalhafte Ironie verdeckt? Egal. Bei der Durchreise, auf dem Weg in die aldilose Schweiz, in die nummernkontenverseuchte Eidgenossenschaft, waren sie damals an einem Hofer vorbeigekommen. Das Aldi-Logo sehen, anhalten und durchsuchen war eins. Die überzeugendste Ausbeute war eine Literflasche Obstler für umgerechnet knapp zwölf Deutschmark. Das war dann in Davos, wo noch jeder Kubikmeter Luft, den man als Gast veratmet, auf die Kurtaxe geschlagen wird, eine willkommene Ergänzung zum Käsefondue – dem einzig Erschwinglichen im Supermarkt, wo schon ein paar Scheite Birkenholz – für den mitgebrachten (Reise-)Kamin (haha!) neun Franken kosteten… Andererseits: War die Schweiz als Aldi-Land überhaupt denkbar gewesen? Im Grunde: nein. Ich bin damals, denkt der Käufer, der in seinen Erinnerungen verloren ist, während er vor den Beeren in Dosen steht und zaudert, auf den Bergstationen gestanden und habe mich gefragt, was man alles für die sieben Franken beim grenznahen Hofer hätte erstehen können, die die Pommes frites (allerdings von ausgezeichneter Qualität) gekostet haben. Eine Scheibe Schwarzbrot schlug ja schon mit 1,15 Franken zu Buche; aber das waren alles, er gestand es sich damals wie heute ein, ziemlich hirnrissige Gedanken gewesen. Wo doch in der aldifreien Schweiz der Standard der Lebensmittel um so viel höher war als zu Hause bei den Reichsdeutschen. Hatten nicht auch die Österreicher sich zuletzt deshalb, wegen der überragenden Qualität ihrer Molkereiprodukte, so vehement gegen den Gemeinsamen Markt gewehrt? Nicht, daß das nicht bloß Sonntagsreden gegen die verhaßten Piefkes gewesen wären. Im kleinen Grenzverkehr pilgerten sie beide, Schweizer wie Austriaken, unverdrossen hinüber in die Discount-Tempel des großen Bruders. Ach, Europa. Wir wollen eine Verlobung eingehen, ‘97 und ‘98, hatte Stoiber Komma Doktor Edmund Komma Bayerischer Ministerpräsident gesagt, eine Verlobung mit der europäischen Währung, und hatte dabei den Mund zu einem schmalen, schiefen, leise angeekelten Lächeln verzogen, eine Verlobung, bevor am 1.1.2002 der Euro in Kraft tritt. Man könnte doch, denkt er, den Euro genausogut in Aldi umbenennen. Na gut, sagt Beckenbauer Komma Franz Klammer auf Der Kaiser Klammer zu, schau mer mal: Der Europa-Gedanke wäre halt sicherlich nicht mehr so erkennbar. Ein Aldi gleich 50 Pfennig? Ist noch ein weiter Weg.
Da waren sie ja endlich, die geschälten Tomaten in Dosen. Verläßlicher Parameter jedes Aldi-Gangs. Mußte immer mit.
Konnte man nie genug zu Hause haben. Waren ja eh irgendwie tot, konnte also nicht schaden, die Mindestausstattung für Basisschleim auf Pizzateigen und Nudelgerichten. Als Junggeselle war das ja überhaupt keine Frage gewesen. Wer hätte sich schon um die gutgemeinten Ratschläge irgendwelcher hoch-ambitionierter, bocusianischer Singelinnen gekümmert, die penetrant darauf bestanden, Tomaten in kochendes Wasser zu tunken, um ihnen dann langsam und genüßlich die Haut abzuziehen? Erstens pervers, zweitens viel zu aufwendig. Da kam ihm jene Szene auf dem Segeltörn in den Sinn, wo die Geschälte-Tomaten-Frage beinahe zu einem Schwesternzwist geführt hätte. Wir lagen im Hafen von Samothraki, und der Wind fegte mit acht seiner zwölf Stärken über die Insel; an ein Auslaufen war zwar zu denken, aber wer hatte schon Lust dazu, stundenlang gegen anzukreuzen? Schließlich war Genußsegeln befohlen, und so hatte er sich angeboten, um die weiblichen Teile der Crew zu entlasten, seine zumindest in Teilen der Zweibrüster (fünf Mark in die Chauvi-Kasse) – passen Sie doch auf, wo Sie hinschieben! – Tschulligung… – Is doch wahr, blockiert hier alles. – Jedenfalls: diese Bolognese zu machen. Und die Küchenchefin hatte beim Einkaufsgang in die aldiunähnlichen (die Kassenfrau war so was von ermattet wie sonst nur ägyptische Ladenbesitzer in der vierten Woche Ramadan) »Supermarkets« (trauriges Schauspiel, Saisonende am Mittelmeer) angewiesen, frische Tomaten einzukaufen. Worauf sich, wie ihm hinterher berichtet worden war, ein Disput über die Vor- beziehungsweise Nachteile von Tomaten in Dosen – warum ihm das jetzt gerade? Das fiel ihm immer ein, wenn er an Dosentomaten dachte, immerzu. Er konnte überhaupt nicht mehr
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