Die Aldi-Welt
keine Kompromisse mit Geschäftspartnern, keine Abhängigkeit von Banken, keine Übernahmeangebote.
Weimer hat noch etwas Überraschendes zutage gefördert: Es ist keineswegs Geldgier, die Milliardäre vorantreibt. Ihr einziger Antrieb ist Erfolg. Edgar Bronfman, der sein Vermögen mit Whiskey gemacht hat, im Club der Superreichen aber mit gut vier Milliarden Mark Privatvermögen unter »Ferner liefen« rangiert, hat das Erfolgsgeheimnis auf folgende Formel gebracht. »Aus 100 Dollar 110 zu machen, ist Arbeit. Aus 100 Millionen Dollar 110 Millionen zu machen, ist unvermeidlich.« Womit der Schlaumeier sich freilich elegant vor der Antwort auf die Frage gedrückt hat, wie man die ersten 100 Millionen verdient.
Zwei Dinge, die landläufig vorausgesetzt werden, sind offenbar nicht vonnöten: Weder von Machtgier noch aus einem Killerinstinkt heraus, hat Weimer herausgefunden, würden die Ultras angetrieben. Sie sind auch keine alerten, nonchalanten Karrieristen, sondern eckige, mies-muffige Sonderlinge – »sperrig im Gesamtgefüge«, um es mal mit einer Floskel aus dem Betroffenheitsjargon der 68er zu versuchen. Ultras bleiben ihren Marotten treu. Sie fahren weiter Linienbus, um Geld zu sparen (wie der Pillenkönig Adolf Merkele), sie arbeiten in der Baracke, in der alles angefangen hat (wie der Modemacher Klaus Steilmann), sie holen sich das Mineralwasser im Laden, weil es da einen Pfennig billiger ist als in der Kantine (wie Theo Albrecht, der diese Übung täglich in der Essener Zentrale vorexerzierte). Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Milliarde nicht wert (Volksmund).
Stellt sich die Frage, wie man mit solchen Reichtümern verfährt. Auch hierfür hat das Land der unbegrenzten Möglichkeiten die adäquate Bestenliste entwickelt. Passend zur Hitparade der reichsten Menschen der Welt führt das Magazin Forbes den »Clewi«, den »Cost-of-living-extremely-well-Index«, zu deutsch: einen Index für extrem gesteigerte Lebenshaltungskosten. Denn es ist ja nicht unbedingt so, daß die Superreichen nicht aufs Geld schauen würden. Es wird ja immer alles teurer. Allerdings wird es offensichtlich langsamer teurer: Der »Clewi« stieg laut Forbes im Jahr 1996 um 2,4 Prozent, während die normale Teuerungsrate bei 3 Prozent lag. Die Forbes-Redakteure vergleichen dabei die Preisentwicklung von Lear-Jets ebenso wie von Galadinners in Frankreich, dem angesagtesten Gesichtschirurgen, dem fashionablen Psychiater mit Praxis an der Upper East Side und dem Opernabo an der Met. Denn mit Abendessen und Seidenroben ist kein wirkliches Geld zu verbraten. Da müßte man sich schon mal eine Luxusyacht maßschneidern lassen, damit wären wenigstens 100 Millionen Dollar (und aufwärts) verbraucht. Eine andere Variante wäre fraglos, wenn die Superreichen von selbst auf die Idee kämen, etwa den Waigelschen Loch-Haushalt zu entschulden. Aber auch davon ist keine Rede, nirgends.
Raus aus Mutters Emma-Laden
Die Anfänge liegen im dunkeln. Die Archive sind noch geschlossen. Die Brüder kamen aus der Anonymität eines Schicksals, das Millionen andere teilten, die zwischen den Weltkriegen geboren wurden, die als junge Menschen in eine Zeit hineingerissen wurden, die rapide auf Krieg und Untergang zusteuerte. Ein Porträt der Kaufleute als junge Dachse müßte im Jahr 1920 beziehungsweise 1922 in Essen beginnen, genauer im Bergarbeiterviertel Schonnebeck. Die zwanziger Jahre waren im Ruhrgebiet nicht gerade das, was man in Berlin und anderswo the roaring twenties nannte. Die Brüder wuchsen mitten im Revier auf, in einer Bergarbeiterfamilie, die nicht mit Reichtümern gesegnet war: Der Vater, Karl Albrecht, konnte nicht mehr als Bergmann arbeiten, weil er sich unter Tage eine Staublunge geholt hatte; als (finanziell schwächer dotierte) Ausweichmöglichkeit bleibt ihm ein Aushilfsjob in der Brotfabrik Staufenberg in Essen-Katernberg. Die Mutter eröffnet einen Kramerladen in der Huestraße mit 100 Quadratmetern Betriebsgröße. Theo, der jüngere Albrecht-Sohn, hilft am Nachmittag, wenn er von der Mittelschule kommt, der Mutter als Lehrling. Sein Bruder Karl geht im Feinkostgeschäft Weiler in Essen in die Lehre, einem Haus mit Renommee. Die Söhne saugen den Handel quasi mit der Muttermilch auf; aber was sie später zusammen auf die Beine stellen, wird jegliches Vorstellungsvermögen übersteigen.
Den Zweiten Weltkrieg überstehen die Albrecht-Brüder in Hitlers Wehrmacht. Von Karls Wegen im Rußlandfeldzug ist wenig mehr
Weitere Kostenlose Bücher