Die Aldi-Welt
überliefert, als daß er mit einer Verwundung heimkehrte; von Theo weiß man immerhin, daß er einer Nachschubeinheit in Afrika angehörte und gegen Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft geriet – in Italien. Der Schriftsteller Arno Schmidt, Jahrgang 1914 und selbst durch Kriegseinsatz um wertvolle, schöpferische Jahre gebracht, hat die Grunderfahrung dieser Generation so beschrieben: »Des Menschen Leben: das heißt vierzig Jahre Haken schlagen. Und wenn es hoch kommt (oft kommt es einem hoch!!), sind es fünfundvierzig; und wenn es köstlich gewesen ist, dann war nur fünfzehn Jahre Krieg und bloß dreimal Inflation.« Eine Einschätzung, die Karl und Theo Albrecht nicht fremd gewesen sein dürfte, als sie beide aus dem Krieg in die zerstörte Heimat zurückkehren. In Essen übernehmen sie 1946 den Laden ihrer Mutter. Vermutlich muß man bereits dieses Jahr als die gedankliche Geburtsstunde des Konzerns ansehen, denn Karl und Theo beginnen unverzüglich mit der Expansion, getrieben von einem Ehrgeiz, den man wohl auf der zweiten Silbe betonen müßte, falls man nicht doch zum feineren Wort »Sparsamkeit« greifen möchte.
Die Expansion geschieht, weil sich die Albrecht-Brüder einer starken Konkurrenz gegenübersehen: den von der Gewerkschaft betriebenen Konsumläden. Dort gab es ein Rabattsystem, das Kunden mit einer Treueprämie lockte. Übers Jahr mußten sämtliche Einkaufsquittungen gesammelt werden, am Jahresende gab es auf die Gesamtsumme drei Prozent als Gutschrift. Das brachte Karl und Theo auf die naheliegende Idee, statt einer Rückerstattung in Form einer Gutschrift die Waren von Haus aus billiger anzubieten. Einsparungspotential: das Personal. Der weitgehende Verzicht auf Verkäuferinnen minimierte die Lohnkosten. Die Selbstbedienungsidee war geboren.
Die Brüder mieten in schlechten Lagen Ladengeschäfte, auch im benachbarten Gelsenkirchen und Mülheim. 1950 haben sie es auf diese Weise schon zu 13 Filialen gebracht. Ihr Lockvogelangebot: billige Butter. Die verhökern sie zum Selbstkostenpreis, manchmal sogar darunter – ein Geschäftsprinzip, das bei bestimmten Artikeln bis heute Geltung hat.
Eine der ersten Anekdoten, die überliefert sind, unterstreicht den früh angelegten Widerstand gegen jede Form von Verschwendung: Man erinnere sich an die Nummer mit den eingesparten Kühltruhen, und daß die Angestellten der Albrechts gezwungen waren, die Butter nach Geschäftsschluß in den Keller zu tragen. Dieser unbedingte Hang zur Preisdisziplin, zum Pfennigfuchsen aus Leidenschaft paßt – aus der Not geboren – hervorragend in die von Armut geprägten Aufbaujahre nach dem Krieg. Im Falle der sparsamen Brüder jedoch verliert sich diese Attitüde nie mehr. Kleine Charakterunterschiede gibt es aber doch: Im Jahr 1961, als die Spaltung der Republik in das Nord- und Süd-Reich beschlossen wird, trennen sich die Brüder unter anderem deswegen, weil sie sich nicht länger auf eine einheitliche Geschäftsführung einigen können. Theo Albrecht gilt als experimentierfreudiger als sein Bruder Karl; jener wiederum wird als der Vater der Discountidee gehandelt. Dazu paßte, daß im Süd-Reich bis heute beinhart am 450-Artikel-Konzept festgehalten wird, während der Nordkönig Theo einer flexibleren Angebotspalette den Vorzug gab (und sich auch im Ausland als der wendigere Geschäftsmann erwies). 1961 regierten sie jedenfalls schon über 300 Filialen in ganz Deutschland mit einem Jahresumsatz von 90 Millionen Mark.
Damals wie heute sind über die persönliche Lebensführung der Milliardäre nur Stereotype bekannt. Beide gelten, jenseits ihrer notorischen Öffentlichkeitsscheu, als schüchtern, ja kontaktarm. Karl ist leidenschaftlicher Orchideenzüchter, ein eher kontemplatives Hobby, das Versenkung in die Rätsel der Natur gestattet (und eine unbedingte Anbetung des Schönen voraussetzt). Man hat Karl Albrecht indes nachgesagt, er habe auch dieses Privatvergnügen nicht ohne den Hintergedanken betrieben, möglicherweise allein von der Orchideenzucht zu leben. Im reifen Mannesalter hat er dann den Golfsport für sich entdeckt, also in einem Alter, in dem sich in den Abschlag immer schon die Zweifel über die richtige Durchführung mischen. Mitte der siebziger Jahre, lange vor dem deutschen Golfboom, läßt er im baden-württembergischen Donaueschingen einen 110 Hektar großen 18-Loch-Golfplatz bauen – damals der größte Golfplatz Deutschlands. Das Angenehme mit dem Nützlichen verknüpft Karl
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