Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
Vom Netzwerk:
Albrecht insofern, als er gleich noch das Hotel Öschberghof dazubauen läßt; die Einnahmen des 90-Betten-Hauses fließen ebenso in seine Kasse wie 85 Prozent der Vereinsbeiträge des neuen Golfclubs. Wer mag sich da Gedanken über das nicht ganz so berauschende Handicap 13 machen?
     
     
    Krämerseelen
     
    Zwei Herzen wohnen, ach, in Albrechts Brust. Der ehrwürdige Johann Geiler von Kaysersberg mahnte in seiner 1510 veröffentlichten Predigtensammlung Das Buch Granatapfel die Gläubigen: »hutenet euch vor dem krämerherz« – will sagen, das hohe Gut der Gottesliebe gegen weltlichen Gewinn einzutauschen. Drei Jahrhundert später, in seinem 1807 bis 1811 erschienenen Wörterbuch der deutschen Sprache, definiert der Herausgeber Joachim Heinrich Campe den »Krämergeist« schon unter merkantilen Gesichtspunkten als »dieser holländische krämergeist« – und meint damit, wie die Gebrüder Grimm herausgefunden haben: »kleinlich gewinnsüchtiger oder engherziger handelsgeist, oder solcher geist überhaupt.« Eine Bedeutungsverschiebung, die nahelegt, daß sich die Welt dem Mammon zugeneigt hat. Sind die Albrecht-Brüder im Herzen Krämerseelen geblieben? Oder sind sie der/ein Typ Unternehmer, dem die Zukunft gehört? Anno 1911 hat der österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter, dessen Lehre heute eine Renaissance erlebt, in seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung verschiedene Unternehmertypen skizziert. Da ökonomischer Wandel nach Schumpeter eine Kombination grundsätzlich schon vorhandener Elemente ist, ist der Unternehmer nach seiner Definition ein »Wirtschaftssubjekt«, dessen Funktion »die Durchsetzung neuer Kombinationen« ist. Das gibt im Falle Aldi Sinn: Es war alles schon da – der Laden, der Mangel an Kapital, die Idee – es mußte nur noch kombiniert werden.
    Der klassische Unternehmer ist (der durchaus heute noch anzutreffende) Fabrikherr, der häufig in Gründerzeiten auftritt. Der Unternehmer ist Besitzer seiner Firma, er waltet und schaltet in ihr gottähnlich, geborgen in einer bürgerlichen Fassade aus Anstand, Ehrbarkeit und unverhohlenem Stolz auf das Erreichte. Diese Unternehmertypen kamen oft – siehe Rockefeller, Carnegie, Bosch – aus kleinen Verhältnissen: klassische Selfmademen. Der zweite Typ ist bei Schumpeter der Industriekapitän. Er besitzt oder verfügt über Aktienmehrheiten als Aufsichtsratsvorsitzender oder Präsident eines Unternehmens, dem er insofern gleichgültiger gegenübersteht, weil er weniger Verantwortung für die Mitarbeiter als der Fabrikherr empfindet.
    Leben und Werk sind hier nicht mehr eine Einheit; der Industriekapitän operiert problemorientiert, hat aber weniger Kompetenzen als der Fabrikherr. Man kann hier an Ferdinand Piech denken, der als Volkswagen-Konzernlenker eine gewaltige Aufgabe stemmt, der gleichzeitig aber als Porsche-Großaktionär selbst ein privates Milliardenvermögen angesammelt hat – die Finanzen sind es also nicht, die den rastlosen Piech vorantreiben. Typ drei stellt eine Zwischenform dar, die dem heutigen Manager entspricht: Er ist angestellt, manchmal aus der eigenen Hierarchie an die Spitze aufgestiegen, er ist weniger unternehmerisch denkend als rückversichernd im Umgang mit den Kollegen. Man nehme einen angestellten Unternehmer wie den ehemaligen Springer-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Richter. Der bis dahin makellose Gewinnbringer scheiterte an der Causa Diekmann, das heißt bei seinem Versuch, im Sommer 1997 gottgleich in die Personalpolitik (und damit in die politische Linie) von Bild einzugreifen. Das hat er bald darauf mit seinem Abgang bezahlt. Selbstherrlichkeit macht keinen Spaß, wenn man in seinem Spielraum von den anderen Vorstandsmitgliedern, dem Aufsichtsrat und Regierung eingesperrt ist, die ihre Hauspostille wg. bevorstehendem Wahlkampf auf Linie trimmen muß.
    Schumpeters Typ vier ist der sogenannte unternehmerische Unternehmer: »Die soziale Heimatlosigkeit, die Beschränkung auf das Aufsuchen und Durchsetzen neuer Möglichkeiten, das Fehlen dauernder Beziehungen zu individuellen Betrieben sind diesem Typ vor allem zu eigen.« Aus dem Kleinbürgertum kommend – siehe Karl und Theo Albrecht – ist dieser Unternehmertyp durch nichts zu bremsen; ihm wohnt eine Kraft zur schöpferischen Zerstörung inne, die keine Rücksicht auf das Milieu nimmt, aus dem sie selbst kommt. Da gibt es also Parallelen: Haben die Brüder Albrecht nicht überproportional dazu beigetragen, den Typus jenes Ladens

Weitere Kostenlose Bücher