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Die Aldi-Welt

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Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
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Soziallehre ist neuerdings, das heißt im Zuge der allgegenwärtigen Globalisierungsdebatte, wieder ins Blickfeld des öffentlichen Interesses gerückt. Die Antworten, die sie gibt, klingen eher unternehmerfreundlich denn radikal kapitalkritisch. Und selbst im Zuge der allseits ausgetragenen Globalisierungsdebatte fiel den beiden christlichen Kirchen in Deutschland nicht allzuviel ein. Es bleibt beim Prinzip Hoffnung (und Glauben): Reichtum müsse ein Thema der gesellschaftlichen Debatte sein, heißt es im jüngsten Sozialwort der katholischen Kirche. Vielleicht haben Karl und Theo Albrecht Glück gehabt, daß sie im katholischen Glauben aufgewachsen sind. Eventuelle Verfehlungen im irdischen Dasein werden im Falle glaubhafter und tätiger Reue beim Übertritt in die nächste Welt verziehen.
    Max Weber zitiert in seiner berühmten Schrift Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus eine Untersuchung, die ein gewisser Dr. Martin Offenbacher 1901 unter dem Titel Konfession und soziale Schichtung. Eine Studie über die wirtschaftliche Lage der Katholiken und Protestanten in Baden vorgelegt hat. Darin heißt es: »Der Katholik ist ruhiger; mit geringerem Erwerbstrieb ausgestattet, gibt er auf einen möglichst gesicherten Lebenslauf, wenn auch mit kleinerem Einkommen, mehr, als auf ein gefährdetes, aufregendes, aber eventuell Ehren und Reichtümer bringendes Leben. Der Volksmund meint scherzhaft: entweder gut essen oder ruhig schlafen. Im vorliegenden Fall ißt der Protestant gerne gut, während der Katholik gut schlafen will.« Nun, fast ein Jahrhundert später, zeigt sich, daß Dr. Offenbachers goldene Regel durch eine respektable Liste von Ausnahmen konterkariert wird.
    Außerdem hat der amerikanische Religionsphilosoph Michael Novak endlich den Gegenentwurf zu Max Weber vorgelegt: Die katholische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1993) weist nach, was ohnehin zu befürchten war – nämlich daß der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist. Daher neigt er, so Novak, zu schöpferischen und also unternehmerischen Akten. Womit bewiesen wäre, daß sich Kapitalismus (als Ausdruck schöpferischen Unternehmertums) durchaus mit katholischer Soziallehre vereinbaren läßt. Max Weber habe die Sache unzutreffenderweise auf die Protestanten zugeschnitten – als ob nicht auch katholische Gemeinwesen zu den Gewinnern des Kapitalismus gehörten. Soziale Gerechtigkeit, wie sie Nell-Breuning als Ordnungsprinzip für die Gesellschaft wünschte, könne es nur geben, wenn die Wohlstandsmehrung so funktioniere, daß niemand davon ausgeschlossen sei.
    Der Schöpfergott als unternehmerischer Unternehmer, mit einem Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Heiligen Geist, und Jesus als Vorstandsvorsitzenden? Demokratischer Kapitalismus? Da hilft nur beten.
     
     
    Verdruß im Überfluß
     
    Daheim, in der Banana Republica, müssen sich die Bewohner einstweilen von ihren Politikern einiges anhören. Ein Volk von Jammerlappen seien sie: wollen Besitzstandswahrung, vollen Lohnausgleich bei 30-Stunden-Monat und so weiter. Man kennt die Litanei. Sechzehn Jahre nach der geistig-moralischen Wende, die die Regierung Kohl eingeläutet hat, geißeln die Medien Lähmung, Erstarrung, Reformunfähigkeit, Apathie der herrschenden Politikerkaste. Diese wiederum hat es sich in ihrem verfilzten Republikchen so schmusig eingerichtet, daß Leute wie der ehemalige Ministerpräsident Lothar Späth ungeniert sagen können: »Wir Deutsche müssen wieder lernen, auf niedrigem Niveau zu schuften, statt auf höchstem Niveau zu jammern.« Ja, doch, Cleverle, möchte man ihm zurufen, du hast deinen ruinierten Ruf mit Ost-Politur als Vorstand bei Jenoptik wieder aufpoliert, aber schweig still und saniere das dir anvertraute Unternehmen. Vergessen die Tage, als Späth wegen allzu großer Nähe zur Industrie seinen Hut nehmen mußte; geschenkt, daß er seitdem vom Land Baden-Württemberg satte Altersbezüge einstreicht. Die Liste der gewesenen Politiker, die bis heute flott von ihrem Engagement für das deutsche Volk zehren, ist lang und ärgerlich. Späth ist nur einer von vielen, die mit solchen dreisten Sprüchen von sich reden machen. Bundespräsident Roman Herzog – sein Hang zur Kanzelrede wurde bereits erwähnt – ist auch einer, der persönlich vollen Lohnausgleich bis ans Lebensende genießt, und zugleich von Solidarität und Toleranz redet. Kaum angetreten, versicherte er, das höchste Staatsamt garantiert nur eine Periode ausüben zu wollen

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